Haeppchenweise
Lehner ist im Studio“, raunzt Novela in ihrem Gehörgang.
„Das Hühnchen ohne Federn?“ Jørgensen lacht anzüglich. „Das Weib lassen Sie ruhig meine Sorge sein. So eine wie die vernasch ich vor dem Frühstück.“
Lena verzieht angewidert das Gesicht. Der massige Körper bewegt sich an ihrem Versteck vorbei und betritt unter heftigem Applaus die Bühne. Ein letztes Knacken und ein Pfeifton von einem zu abrupt abgeschalteten Mikrofon – und der Ohrhörer in ihrer Hand verstummt.
Sie sinkt auf eine Kabelkiste und betrachtet das schaumstoffüberzogene Ding nachdenklich. Ihr vages Bauchgefühl mausert sich zur Gewissheit: Hier geht ihr tatsächlich etwas gegen den Strich. Und zwar gewaltig.
„Pssst!“
Die Berührung an ihrem Ellbogen ist so sanft, dass sie zunächst an Einbildung glaubt. Beim zweiten Stupser springt Lena erschrocken auf. Und schaut direkt in Julius Zanders wutverzerrtes Gesicht.
„Was machen Sie denn hier, ich dachte Sie wären gar nicht ... hier!“, stottert Lena, doch der Koch schüttelt den Kopf und legt einen Finger auf seine Lippen.
„Hast du genug gehört, Mädel, um mir einen Gefallen zu tun?“ Julius deutet auf ihr Mikrofon und hält seins in die Höhe. Erst jetzt registriert Lena die schlanke Gestalt hinter Zander. Henriette, soweit sie sich erinnert. Zanders Tochter.
Lena öffnet den Mund und … schließt ihn wieder. Dann nickt sie vorsichtig.
„Was heißt das, Sie stellen Ersatzschüler? Sind der Zander und seine Anfänger im Studio, oder nicht?!“ Novela marschiert in atemberaubendem Tempo um den Schreibtisch herum. Julia sinkt tiefer in ihren Sitz. Dieser Mensch schüchtert sie ein, obwohl seine bunt gemusterte Krawatte eher albern daherkommt.
„Vida und Friedrich sind nicht direkt Anfänger ...“
„Das ist entgegen der Abmachung!“ Novelas Hosenbund bremst nach der vierten Schreibtischrunde unmittelbar vor Julias Nase. „Und wer, zum Henker, soll diese neue Crew anleiten?!“
„Ich habe mit Herrn Zander telefoniert. Er ist auf dem Weg. Und solange ...“, Julia tippt zaghaft mit ihrem Zeigefinger auf ihre Brust.
„SIE? Wer sind Sie überhaupt?“
Julia hebt trotzig das Kinn. Sie wird sich nicht von diesem schlecht angezogenen Wichtigtuer kleinmachen lassen. „Katharina Lehner hat mich bevollmächtigt, in ihrer Abwesenheit die Geschäfte zu führen. Alle Geschäfte.“
„Frau Lehner kneift also?!“
„Sie liegt im Krankenhaus, Herr Novela.“
„Eine billige Ausrede!“, schnaubt er und nimmt seinen Rundgang wieder auf.
Julia strafft ihr Rückgrat und erhebt sich, herzklopfend, aber so würdevoll wie möglich. „Herr Novela. Ihre Kochshow beginnt in wenigen Minuten und weder Julius Zander noch die beiden Anfängerschüler sind verfügbar. Ich kann nicht zaubern, aber da unten sitzen eine Hand voll Leute aus der Cook & Chill Riege, die für unseren Laden sterben würden. Obendrein könnten sie dafür sorgen, dass Ihre Sendung nicht zur Lachnummer wird. Also nehmen Sie mein Angebot an, oder wir ziehen die Teilnahme kurzfristig zurück. Ihre Entscheidung!“
Novela hebt eine Braue. Julia zwingt sich, den abschätzigen, bebrillten Augen standzuhalten, ohne in Ohnmacht zu fallen.
„Sie haben Courage, junge Dame.“ Er gibt ein undefinierbares Geräusch von sich. Julia ballt die Hände zu Fäusten. Bloß nicht darüber nachdenken, dass sie in wenigen Minuten von ganz Deutschland gesehen wird. Aus dem Lautsprecher tönt das Starcooksjingle, auf dem Hauptmonitor tritt Mats Jørgensen in der Haltung eines Boxchampions ins Scheinwerferlicht.
„Ich denke aber, wir sind im Plan“, grinst der Produktionsleiter plötzlich.
Überrascht folgt Julia Novelas Finger, der auf den kleineren Bildschirm deutet: die Überwachungskamera im Foyer. Sie blinzelt, um ihre Kurzsichtigkeit zu überlisten und ein zweites Mal, um zu glauben, was sie sieht. Das Gesicht, das aus großen, dunkelbraunen Augen in die Linse schaut, ist erschreckend fahl und beruhigend vertraut.
„Katta! Gott sei Dank!“
Meisterstücke
Der Legende nach wettete Kleopatra an ihrem 30. Geburtstag mit ihrem römischen Liebhaber Markus Antonius, dass sie das teuerste Bankett darbieten könne, das es je gegeben hatte. Als nichts außer einer Schale Essig für Kleopatra serviert wurde, schlug Markus Antonius siegessicher in die Wette ein. Daraufhin löste Kleopatra einen ihrer Perlenohrringe (laut Plinius im Werte von 10 Millionen Sesterzen, dem Gegenwert von Tausenden Pfunden Gold) und
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