Haeppchenweise

Kichern ausbricht, schlendert Novelas Assistentin Kaugummi kauend auf die Bühne. In natura sieht Lena einer blonden Pipi Langstrumpf noch ähnlicher, als mir bei der Liveaufnahme im Cook & Chill bereits aufgefallen war.
    Misstrauisch verfolge ich, wie Julius dem Mädchen seine Notiz überreicht. Einen Atemzug zu lang schwebt das Rezept als papierne, zitternde Verbindung zwischen ihnen, ehe Julius den Arm sinken lässt.
    Alarmiert setze ich mich auf.
    Ich schwöre, Julius hat etwas zu ihr gesagt! Falls – und wirklich nur falls – meinen bescheidenen Lippenlesekenntnissen zu trauen ist, hat er ... ich schrecke auf. Brittas Mund kommt meinem Ohr so nah, dass ich ihren warmen Atem spüre.
    „Katta? Hab ich was verpasst? Wieso grinst du auf einmal so einfältig?“
     
    „Moment! Das ist nicht mein Fondant au Chocolait!“
    Mats Jørgensen wedelt anklagend mit seinem Rezeptzettel in der Luft herum. Lena hält inne. In ihren Augen schwelt etwas, dass man glatt als Hass bezeichnen könnte.
    „Gleich knallt sie ihm eine“, frohlockt Britta neben mir, doch Lena zuckt nur die Schulter und lässt eine giftgrüne Kaugummiblase platzen, ein imaginärer Pistolenschuss in Jørgensens Entrüstung. Dann verschwindet sie leichtfüßig und unter Gelächter hinter die Trennwand Richtung Backstage-Bereich.
    Die Liesch späht über ihr Brillengestell. „Die Jury hatte nichts an den Rezepten zu beanstanden. Wo liegt ihr Problem, Herr Jørgensen?“
    Mats ist dunkelrot angelaufen. Der Zettel weht wie ein knittriges Kriegsfähnchen in seiner erhobenen Hand.
    „Das Gör hat die Niederschriften vertauscht!“
    „Tatsächlich“, schmunzelt Julius und begutachtet sein Exemplar eingehend. „Steigert den Schwierigkeitsgrad, Herr Kollege. Für uns kein Problem. Oder doch?“
    „Das war so aber nicht abgemacht!“
    „So ist das Leben eben, Mats. Man weiß nie, welches Rezept man gerade bekommt.“ Julius kratzt sich am Hinterkopf. „Ist eine Weile her, dass ich ein Fondant gemacht habe, aber gut. Werd´s schon hinkriegen.“
    „Eine gute Idee, Herr Zander. Angesichts des Wetteinsatzes und der Fähigkeiten der Teilnehmer hält die Jury eine Anpassung des Schwierigkeitsgrades ebenfalls für angebracht!“ Die Kochbuchautorin hebt den Daumen, Restauranttester Gaut reißt überrascht die Augen auf, während Vorstand Haag verträumt nach seiner Wasserflasche greift. Glasklar, wer auf dem Fachpodest das Sagen hat. Ich schwöre, ich pflastere ein komplettes Regal mit Anne Lieschs Kochbüchern, jedes in vierfacher Ausführung!
    „Ich kapier´s nicht“, murmelt Britta verwirrt. „Was passiert da oben?“
    „Jørgensen hat mit Julius´ Dessert null Chance. Mats hat nämlich keinen Geschmackssinn“, sagt eine fröhliche Stimme hinter uns. Henry klettert über die Balustrade der VIP-Box und lässt sich auf den freien Stuhl neben mir fallen. Ihr Grinsen wirkt so siegesgewiss, als sei der Kochwettbewerb längst entschieden.
    Ich lache lauthals auf.
    „Gerade habe ich verstanden, du hättest gesagt, Jørgensen habe keinen ...“, doch niemand lacht mit. Julia starrt Henry mit kreisrunden Augen an.
    „WAS?! Das sagst du uns erst jetzt?!“, kreischt Britta los, ehe ich ihr den Mund zuhalten kann. Einige Zuschauer in der Reihe vor uns drehen sich empört um.
    „Du meinst, Julius hat dafür gesorgt, dass Novelas kleine Assistentin die Rezepte vertauscht?! Damit Jørgensen ... ohhh! Dein Koch ist ja noch hinterhältiger, als ich dachte!“
    „Was ist los Mats? Schmeißt du den Schneebesen und zahlst mir das Geld gleich hier aus?“ Julius öffnet herausfordernd seine Schürzentasche. Er wirkt so ungezwungen und selbstsicher, als gehöre die Bühne ihm. Heftiger Applaus brandet auf und die ersten Buhrufe finden den Weg in Jørgensens Küchenzeile.
    „Klappe, Zander! Wirf mir deine Discounter-Zutaten rüber, damit ich deinen läppischen Gewürzkuchen zusammenpanschen kann!“
    Mats knirscht wie der Tonkopf eines altersschwachen Plattenspielers. Die zwei Aushilfen, die die Zutatenkörbe austauschen, schleichen in einem weiten Bogen um den Dänen herum. Der Produktionsleiter hingegen scheint die Moderatorenrolle gewaltig überzuhaben. „Wir eröffnen also die dritte und letzte Wettbewerbsrunde“, leiert Novela und sinkt auf den Barhocker neben Julius Küchenzeile. „Möge dann mal der Bessere gewinnen ...“
     
    Ist schon merkwürdig. Weiß Gott wie viele Jahre hatte er dafür gebrannt, es dieser Ratte heimzuzahlen. Hatte sich den Moment