Haeppchenweise
Weiss! Ist irgendetwas nicht in Ordnung?
Weiss: Ob etwas nicht ...? Haben Sie getrunken?!
Novela: ...?
Weiss: Seit wann moderieren SIE die Sendung, statt hinter den Kulissen für einen ordnungsgemäßen Ablauf zu sorgen? Und welcher Volltrottel hat diesen Kochwettbewerb-Tinnef angeleiert? Wissen Sie, was in der Marketingabteilung los ist?! Telefonterror ist ein Scheißdreck dagegen! Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wer ihr überzogenes Gehalt bezahlt?!
Novela: Frau Weiss, das ist alles gar nicht so ...
Weiss: Zwei unserer Hauptsponsoren sind gerade abgesprungen, weil sie einen solchen Seifenopern-Schmarrn nicht mit ihrem guten Namen in Verbindung gebracht haben wollen! Die sind nicht nur stinksauer, sondern lassen fünfstellige Schecks platzen! Hier ruft ein Anwalt an und droht mit einer Klage, da der Wetteinsatz rechtswidrig ist, ganz zu schweigen von den hundert entrüsteten Zuschauern, die den Dänen am liebsten unter die Guillotine legen würden!
Novela: Tut mir leid, ich dachte ...
Weiss: Sie haben überhaupt nicht gedacht, Novela, sondern ein erfolgreiches Sendeformat getötet! Bringen Sie das in Ordnung, mir wurscht wie, und wenn Sie nackt vor der Jury tanzen, damit dieser Zander gewinnt! Und stellen Sie sich auf ein Gespräch mit der Chefetage ein, Sie Amateur!“
Novela: Ich ...
Weiss hat aufgelegt.
Ich betrachte ungläubig das angeschnittene Küchlein. Anschließend das Messer, von dem flüssige Schokolade auf das Backblech tropft. Ein verführerischer, süßlich herber Duft steigt in meine Nase und zieht sämtliche Geschmacksknospen auf meiner Zunge zusammen.
„Das ist ja gar nicht staubtrocken“, flüstert Julia ehrfürchtig und steckt einen Finger in die zähflüssige Schokomasse, die aus dem Küchlein quillt.
„Nein. Die sind ... perfekt!“ Henry mustert mit schmalen Augen die Temperaturanzeige und hält prüfend eine Hand in den Backofen.
„Was hast du gerade gesagt, Henry?“
Ich versuche verzweifelt, weder zu stottern, noch mit den Zähnen zu klappern. Ich glaube es nicht. Das kann nicht sein. Das wäre einfach ... wunderbar!
„Der Temperaturregler muss kaputt sein. Dieser Ofen ist niemals zweihundert Grad heiß!“
Okay, jetzt klappere ich mit den Zähnen.
„Einen Dessertteller ... sofort! Flüssige Sahne und Himbeerpüree für den Fruchtspiegel stehen im Kühlschrank. Wenn ihr den Fondant zur Jury gebracht habt ... könnte ich Eis für meine Hände ...“ Julius´ gestammelter Satz endet in einem Wimmern. Er betrachtet seine krebsroten Handflächen, als falle ihm erst jetzt auf, dass damit etwas nicht stimmt. Dann verdreht er die Augäpfel und sackt lautlos in sich zusammen.
„Meine Damen und Herren, keine Sorge! Herr Zander hat einige harmlose Verbrennungen erlitten, schmerzhaft, doch zum Glück ungefährlich. Im Moment genießt er die Aufmerksamkeit einer hübschen Sanitäterin, während Frau Lehner netterweise in den verbleibenden Sendeminuten einspringt. Eine wahrlich aufregende Sendung!“
Novelas´ Stimme klingt belegt, es kostet ihn sichtlich Mühe, das typisch begeisterte Entertainergesicht zu ziehen. Entweder passt ihm die Wendung nach der letzten Kehrtwende nicht, der zufolge das Cook & Chill die Nase vorn hat, oder er erkennt tatsächlich, dass andere sich für den Moderatorenjob besser eignen.
Ich lächle verwirrt, aber freundlich in die Augen mit den stecknadelgroßen Pupillen. Man könnte meinen, der Produktionsleiter stünde unter Drogen. Die Liesch raschelt vernehmlich mit ihren Unterlagen.
„Herr Novela?“
„Gnädige Frau?“
„Das Dessert?“
„Das Dessert.“ Novela nickt bekümmert. Die ersten Lacher schwappen auf die Bühne und mir wird bewusst, dass ich sowohl die Kameras, als auch die vielen Menschen vergessen habe. Bist jetzt.
„Kommt sofort!“, rufe ich beherzt, da der Zuständige stumm wie ein Karpfen bleibt, und hebe die Fondantplatte aus der Wärmebox. Ich taste nach dem Soßenlöffel und sende ein Stoßgebet nach oben.
Nebenan bricht Mats in geschirrklappernde Betriebsamkeit aus, während ich in kreisenden Bewegungen einen Fruchtspiegel auf den Teller setze. Ein paar Tropfen Sahne, mit einer Gabel ein filigranes Muster marmorieren, das warme Küchlein in der Mitte platzieren. Mit Puderzucker bestäuben und beten, dass die Fondants in der zehnminütigen Pause nicht fest geworden sind. Ich atme aus.
Jørgensen steht längst am Jurypult, mit geschwellter Brust, die Arme verschränkt. Erstaunlich, dass der Däne
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