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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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jetzt?!“, quiekt Britta. Julius erreicht unsere VIP-Box, etwas Eulenspiegelhaftes blitzt in seinen Pupillen auf.
    „Für das Hauptgericht brauchen wir das Fachwissen einer begabten Schülerin, die heute das Feld ihrer Tochter überlassen hat.“ Julius streckt den Arm aus. „Bitte begrüßen Sie mit mir Sotiria Dukakis!“
    Stumm vor Entsetzen verfolge ich, wie die alte Griechin sich zögernd erhebt. Melitta wird auf der Bühne noch eine Spur bleicher, sofern möglich, ihr Geschirrtuch segelt zu Boden. Roúla sieht sich verwirrt um und hängt sich an Julius Arm. Als die betagte Dame an Julius Seite die steile Stiege erklimmt, schließe ich die Augen.

Brot und Spiele
     
    Die Verkündung „Brot und Spiele!“ (panem et circenses) galt im antiken Rom als Methode, die Gunst des Volkes für den jeweiligen Herrscher zu sichern. Neben der Versorgung mit Nahrungsmitteln, hauptsächlich mit Wasser und Getreide, sorgten öffentliche Spiele wie blutige Gladiatorenkämpfe, Wagenrennen und Theateraufführungen für Abwechslung (und Ablenkung) vom Alltag beim einfachen Volk. (Wikipedia)
     
     
    „Liebes Publikum, verehrte Jury. Hinter unserer Menüfolge steht eine besondere Idee, die ich Ihnen vor dem Hauptgang nahebringen möchte.“
    Julius Stimme fegt laut und eindringlich über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Er hält die gebrechliche Roúla fest im Arm, als sei er derjenige, der Halt bräuchte. Mein Puls klettert nach oben, meine Hände krampfen sich um meine Knie. Ich bin für derlei seelische Achterbahnfahrten einfach nicht gemacht.
    „In der gehobenen Gastronomie gehörte es von jeher zum guten Ton, dass der Gast sich von überheblichen Kellnern mit viel Tamtam teure Kinkerlitzchen servieren lässt – deren einzige Rechtfertigung darin besteht, den Namen eines Sternekochs zu tragen. Danach wird geklatscht und die Kreditkarte gezückt, damit man mit dem letzten Kleingeld in der Tasche zur Würstelbude an der Ecke rennt, die bestimmt nicht grundlos da steht. Das Cook & Chill vertritt eine andere Auffassung hinsichtlich gelungener Gastronomie. Zwar legen auch wir Wert auf sauberes Kochhandwerk, aber was nützt dem Gast ein goldener Löffel, wenn er sein Mittagessen nicht in netter Gesellschaft bei einem freundlichen Gastgeber genießen kann? Übertriebene Schäumchen und Mätzchen sucht man in unserer Küche vergebens. Dafür finden Sie Liebe auf dem Teller, die sattmacht und neben sich nette Menschen, die sich über Tischgespräche freuen. Unser Laden ist ein menschlicher und nicht immer perfekter Ort, der seine Schüler lehrt, wie man Gästen ein Zuhause bietet. Das ist der Grund, weshalb meine Kochschüler das Motto der Sendung etwas mutiger interpretieren, als mein erfolgreicher Kollege Mats Jørgensen. Den Auftakt des Menüs widme ich meinem geschätzten Mitarbeiter Minzou Shunpei. Als Hauptgang bereiten wir nun einen Lammrücken in einer Kölsch-Honig-Marinade an Rieslingäpfelchen zu. Mit einer kleinen, runden Überraschung unserer griechischen Freunde.“ Julius nickt Roúla zu, die sanft errötet.
    Im Studio herrscht noch Sekunden nach seiner Ansprache ehrfürchtige Stille. Manfred Novela schaut ratlos auf seine Schuhspitzen. Anscheinend hat er seinen Text vergessen.
    „Wer ist der Kerl da oben?“, fragt Britta lahm.
    „Keine Ahnung.“ Ich bin wie betäubt.
    Auf dem Jurypodest erhebt sich Anne Liesch, die Kochbuchautorin.
    „Ich bin gespannt, Herr Zander!“
    Ihren sichtlich verwunderten Jurykollegen bleibt nichts anderes übrig, als es der Liesch gleichzutun, als sie beginnt, im Sekundentakt in die Hände zu klatschen.
     
    Henry behandelt das Lammfleisch, als hantiere sie mit rohen Eiern. Und flucht wie ein Rohrspatz, da ihr Messer offensichtlich nicht zum Einschneiden der Fettränder geeignet ist.
    „Mir schwant, nicht nur dein Koch wurde von Aliens entführt. Seine Tochter haben sie auch gleich mit ausgetauscht“, sagt Britta trocken, als Julius heilige Klinge in Henrys Hand wechselt.
    Roúla und Melitta kämpfen indes an ganz anderen und viel persönlicheren Fronten. Die junge Griechin wirkt besorgt, was ihre Mutter mit abwehrendem Händewedeln beantwortet. Beherzt greift Roúla in eine Schublade und steuert – trotz Melittas Protest – mit zwei Schraubverschluss-Gläsern das Jurypodest an. Sie geht so langsam, als handele es sich um geschmuggelte Rohdiamanten, nicht um ein paar eingelegte Oliven. Die Jurymitglieder begutachten die handgeschriebenen Schilder und wagen eine Geruchsprobe.

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