Haeppchenweise
wöchentlich bittet Jørgensen Kochbegeisterte aus ganz Deutschland bei Vivo TV ins Fernsehkochstudio. „Starcooks“ – ein ausgeklügeltes und erfolgreiches Konzept von Meisterhand, aus der mancher Konkurrent lernen könnte. Wenn er denn wollte.
(G.S.)
Der Schredder häckselt meine Cateringflyer in bunte Papier-Spaghetti. Erst, als der letzte Bogen im Schlitz verschwunden ist, lasse ich den Knopf los. Vorsichtig setze ich mich auf meinen Bürostuhl und starre auf den Schreibtisch.
Elfi Müller hat ganze Arbeit geleistet. Ordentliche Dokumentenstapel reihen sich aneinander, nach Datum sortiert und mit farbigen Klebezetteln versehen. Ein Puzzle der Verbindlichkeiten. Leider überragt der Turm, auf dem das rote „Eilt!“ haftet, alle anderen. Auf der zusammengefalteten Ausgabe des Kölner Stadtboten klebt außerdem eine Nachricht meiner ehemaligen Kollegin.
„Katta, ich finde, du solltest was unternehmen. Gruß und Kuss, Elfi.“
Das Blatt in meiner Hand zittert, als ich den Artikel zu Ende gelesen habe. Ich lasse die Zeitung sinken, mein Blick wandert zur Zimmerdecke. Dort oben schläft ein Mann, von dem ich offenbar noch weniger weiß, als ich glaubte.
„Julius?“
Der Geruch nach saurer Milch und Alkohol ist betäubend, Sauerstoff ist in dem abgedunkelten Raum praktisch nicht vorhanden. Ich ziehe die Vorhänge beiseite, reiße das Fenster auf und halte mein Gesicht begierig dem Straßenlärm entgegen.
Hinter mir ertönt unwilliges Grunzen. Julius liegt zusammengekrümmt auf dem Sofa, die Wolldecke bis über die Ohren gezogen, seine Beine liegen frei. Er trägt nur einen Schuh, der zweite liegt am Boden und aus dem löchrigen Strumpf ragt ein einzelner Zeh heraus.
„Ich muss mit dir reden!“
„Was willst du?“ Seine Stimme klingt belegt, aber wach.
„Antworten.“
Er lacht leise, hustet krampfartig und richtet sich schwerfällig auf.
„Die hätte ich auch gern.“
Seine Augen, blutunterlaufen, mit tiefen Ringen darunter, richten sich auf das verlassene Hundekörbchen. Erst jetzt registriere ich die leere Flasche, die neben den Medikamentendöschen auf dem Tisch liegt.
„Tut mir leid, was mit Hund passiert ist.“
„War nur ein dreckiger Köter.“
„Spiel nicht den Gleichgültigen.“
Er zuckt die Schultern und angelt nach seinem Schuh. „Die Dinge kommen und gehen, wie es ihnen passt.“
„Verhält es sich mit deiner Vergangenheit auch so?“
„Weiß nicht, was du meinst.“
„Stammt deine Tätowierung aus dem Knast?“
Er mustert mich schweigend. Nach endlosen Sekunden seufzt er tief und schwingt seine Beine auf die Erde. Seine Finger zittern, als er die Tablettendose aufschraubt. Drei weiße Kapseln kullern in seinen Handteller, die er trocken herunterschluckt.
„Wie lange warst du drin?“
„Zwei Jahre.“
„Und weshalb?“
„Wegen Eitelkeit und Größenwahn.“
„Verstehe ich nicht.“
„Da sind wir schon zwei.“
Er fährt durch den spärlichen Haarwuchs an seinem Hinterkopf, betrachtet seine Fingernägel und nuckelt an seinem Ringfinger. Ich schaue rasch zur Seite.
„Hör zu, Mädel. Du weißt, dass ich keine rühmliche Vergangenheit besitze. Abgesehen von ein paar Sternaufnähern, von denen ich mir nie was kaufen konnte.“
„Ich weiß nichts über dich“, schnappe ich beleidigt.
„Man landet kaum mit dem Hosenboden im Hauseingang fremder Häuser, weil einem das Schicksal den Hintern küsst. Natürlich könnte ich dir die übliche Herz-Schmerz-Geschichte verkaufen. Beispielsweise die von dem überarbeiteten Meisterkoch, dem Frau und Kind davongerannt sind, weil ihm sein Feierabend-Obstler wichtiger war. Oder wie wäre es damit: Ein vertrauensseliger Trottel hatte ein mieses Arschloch zum Freund, das eigentlich nur seine Frau vögeln wollte. Also lieferte das Arschloch den Trottel ans Messer. Klappe zu, Maus tot. Du wärst zufrieden und ich hätte meine Ruh.“
„Lassen wir die Märchenstunde, Julius. Weshalb warst du also im Gefängnis?“
„Ich habe jemanden umgebracht.“
Einen Sekundenbruchteil bleibt mir das Herz stehen. Doch dann sehe ich das Funkeln in seinen Pupillen.
„Sehr originell.“
„Man warf mir schwere Unterschlagung vor und ich konnte nicht beweisen, dass ich es nicht gewesen bin. Genügt dir das vorläufig?“
„Hast du wirklich ein Kind?“
„Katta, das geht dich nun wirklich nix an.“
Britta: Kann ich mit Katta sprechen?
Julia: Sie ist weg.
Britta: Wie, sie ist weg?!
Julia: Keine Ahnung. Eben war
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