Haeppchenweise
Le-Lehner! Wie sch-schön, dass Sie es geschafft haben! Beeilen wir uns, es geht g-gleich los!“
Sein schlaffer Händedruck hinterlässt einen Schweißfilm auf meiner Handfläche, den ich verstohlen an meinem T-Shirt abwische. Er nimmt mir wortlos zwei Behälter ab, bedeutet uns, ihm zu folgen und stiefelt in das Gebäude hinein.
Der schlauchförmige Gang mündet in einer Art Aula, wo sich Menschen aller Altersstufen um Stehtische drängen. Ein Gassenhauer plärrt aus versteckten Lautsprecherboxen und übertönt die gedämpften Unterhaltungen, an der Längsseite der Aula wartet eine mit Tischtüchern bekleidete Tafel.
Ich löse die Deckel und Folien und lasse mir Zeit beim Aufbau der Etagére, die aus drei übereinander verschraubten Servierplatten besteht. Vergewissere mich, dass jedes Röllchen an seinem Platz liegt, und verabschiede mich schweren Herzens von einer kleinen Möhrennixe. Ganz oben, auf der Spitze des Sashimi-Turms setze ich sie auf ihren Thron und drehe mich lächelnd um, damit ich all die staunenden Mienen betrachten kann.
Herr Dullvogel ist so von den Socken, dass er sprachlos ist. Die Schlagermusik verstummt mitten in einem übersteuerten „Scha-la-lahh“ , im Saal herrscht schlagartig Totenstille. Eine ältere Dame schluchzt auf und presst die Handfläche auf den Mund, als wäre es ihr peinlich, sich laut zu freuen. Der Vereinsvorsitzende sieht jetzt merkwürdigerweise aus, als sei ihm übel.
Allmählich bin ich etwas verwirrt. Julia beantwortet meinen Hilfe suchenden Blick mit einem Schulterzucken und Minzous Gesicht nimmt einen ungesunden Schimmelton an.
„Ist d-das etwa Su-sushi?!“
Dullvogel hat seine Sprache wiedergefunden. Mein Lächeln wird eine Spur breiter. Vereinsleute besitzen eben ein eher konservatives Naturell. Ich kann nachvollziehen, dass er sich nach all den Bockwürsten und Leberwurstbrötchen erst an die außergewöhnlichen Delikatessen gewöhnen muss. Hinten im Saal plärrt ein Kleinkind los: „Haben die auch den Nemo getötet?!“
Nun gut. Roher Fisch mag nicht jedermanns Ding sein. Vor allem Kinder wollen ihr Essen lieber in Stäbchenform, damit sie sich einreden können, auf ihrem Teller läge kein totes Tier – schließlich seien die ja nicht rechteckig. Trotzdem finde ich es eine empörende Unverantwortlichkeit seitens der Filmindustrie, unsereins mit schmalzigen Tiergeschichten jede Genussfreude zu ver ... Julia zupft hastig an meinem Ärmel. Sie sieht ganz blass aus.
„Was denn?!“
Ihr Kinn vollführt eine unmerkliche Seitwärtsdrehung. Ich muss mich nach rechts beugen, um ... das Vereinsbanner zu lesen. Mir bleibt das Herz stehen.
Die Buchstaben auf dem schaukelnden Stoffstreifen fügen sich vor meinen Augen zur größten Schlappe in meiner Unternehmerlaufbahn zusammen:
„Vereinigung der Aquarienliebhaber und Freunde, Nordrhein-Westfalen“.
Kölner Stadtbote, 14. August 2012
Cook & Thrill! Pleiten, Pech und Pannen trotz Neustart!
„Die Gastronomie ist eben kein Laiengeschäft!“, sagt Mats Jørgensen, Sternekoch und Betreiber des „Starcooks“ über seine Konkurrenz.
Nachdem der Kochbuchladen „Cook & Chill“ im letzten Jahr bei einem selbst verursachten Brandunfall in Flammen aufging, entstieg der Asche ein hoffnungsvolles Konzept unter der Küchenleitung des legendären Meisterkochs Julius Zander. Katharina Lehner, Jungunternehmerin und ehemalige Anwaltsgehilfin, scheint sich jedoch mit ihrem Gastronomie-Hobby übernommen zu haben.
Nach Recherche der Redaktion befindet sich die Firma (trotz großzügiger Finanzspritze der verstorbenen Bestsellerautorin Louise von Stetten) in Zahlungsschwierigkeiten. Probleme gibt es auch mit dem Küchenchef, dessen Sterne längst nicht mehr funkeln: nach einem Gefängnisaufenthalt verbrachte Julius Zander mehrere Jahre ohne festen Wohnsitz.
Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ex-Sträfling und den leeren Kassen im „Cook & Chill“? Die Kundschaft jedenfalls ist sich einig: Der Buchladen mag ein kuscheliges Plätzchen sein, die Gastronomie überzeugt weder in puncto Qualität noch durch ein erfahrenes Management.
Die bessere Adresse findet sich ein paar Häuser weiter. Dort eröffnete der Profi Mats Jørgensen, bekannt aus Funk und Fernsehen, das „Starcooks“, eine Kochschule für höchste Ansprüche mit angeschlossenem Restaurant. Dass der gebürtige Däne nicht nur mit Wasser kocht, wissen nicht nur seine Gäste und Kochschüler im „Starcooks“: Zweimal
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