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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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Moment: Eben noch las ich einer aufmüpfigen Kochschülerin die Leviten und jetzt schaue ich schüchtern in ihr strenges Beamtengesicht, während sie sich über das Anzeigenaufnahmeformular beugt. Weiß nicht, ob mir dieser Rollentausch behagt.
    „Hey, Henry?“ Wie üblich hält Britta ihre Neugier nicht im Zaum.
    „Hm?“
    „Wieso hast du nicht gesagt, dass du bei der Polizei bist?“
    „Hat keiner gefragt.“ Henry runzelt die Stirn und notiert etwas an der Randleiste ihres Formulars. Dann legt sie den Kugelschreiber neben das Blatt.
    „Erzähl doch mal, Katta, was genau passiert ist, damit ich herausfinden kann, ob wir Herrn Ziegler nicht eine Weile hierbehalten können.“ Sie lässt eine marginale Pause zwischen den Wörtern „eine“ und „Weile“.
    Johannes räuspert sich: „Meine Mandantin hat ...“
    „Keine Sorge, Dr. Hennemann. Frau Lehner ist nur Zeugin und zweifellos selbst in der Lage, den Tathergang zu schildern.“ Es bereitet Henry sichtlich Vergnügen, ihn zu siezen. Ich schlucke den Kloß herunter, nicke Johannes zu – und hole Luft.
     
    Eine dreiviertel Stunde später verlasse ich schmunzelnd das Dienstzimmer von Polizeikommissarin Junghans. Knut scheint kein unbeschriebenes Blatt zu sein. Er besitzt mehrere Jungendstrafregister-Einträge wegen Diebstahl und eine Bewährungsstrafe wegen Mittäterschaft bei diversen Einbrüchen. Die optimale Voraussetzung, um den Hilfskoch vorläufig in Untersuchungshaft zu setzen, da dringender Verdacht auf Beteiligung an einer Raubserie in den Villenvierteln Kölns bestünde. Natürlich mit Flucht- und Verdunkelungsgefahr.
    Nachdem Henry den Haftantrag dem zuständigen Staatsanwalt gefaxt hatte, schloss sie mit ausdrucksleerer Miene die Akte und schob den Hefter unter einen zirka 50 Zentimeter hohen Aktenstapel.
    „Bedauerlich. Wird mindestens zwei Wochen dauern, bis ich dazu komme, das zu bearbeiten. Was sein Chef wohl davon hält, mitten in den Vorbereitungen zu so einem wichtigen Kochwettbewerb?“
    Brittas Schläfe zuckt verräterisch, ich vergrabe die Hände tief in den Taschen meiner Jeans, während Julia ihren Oberkörper mit beiden Armen umschlingt, als fürchte sie, auseinanderzufallen. Gleichmütig hält Johannes die Haupteingangstür auf, die wir stumm und mit hoch erhobenen Köpfen durchschreiten. Aus dem Augenwinkel registriere ich, dass Johannes Henry zum Abschied zublinzelt, was die Kommissarin professionell ignoriert.
    Erst als das Polizeipräsidium rund hundert Meter hinter uns liegt, fällt mir Britta kreischend um den Hals und unsere Anspannung löst sich in befreitem Gelächter auf. Nur Johannes schüttelt fassungslos den Kopf.
     
    *
     
    Bernadette ist heute nicht allein gekommen. Als mich das unvermeidliche Schnabelklopfen weckt, observieren mich zwei Knopfaugenpaare durch die Scheibe. Die Amselmutter plustert ihre Brustfedern, während das Vogeljunge – de facto doppelt so fett, wie die Mama – unbeholfen das Fensterbrett entlang hopst.
    Felix hätte sich köstlich über diesen Auftritt amüsiert. Ungewollt schießen mir Tränen in die Augen. Jeden Morgen erwache ich auf seiner Betthälfte, das zweite Deckenset neben mir, ordentlich gefaltet und unberührt. Die Versuche, mich in die Mitte unseres Zweimeterbetts zu legen, gab ich nach der dritten schlaflosen Nacht auf. Auf meiner Zunge liegt ein fauliger Belag und der Frosch in meinem Hals, von dem alle behaupteten, er verschwände mit der Zeit, ist ein lästiger Dauergast geblieben.
    Nach dem ersten Milchkaffee nehme ich mir vor, den Tag so erfreulich wie möglich zu beginnen. Liebeskummer hin oder her. Zwar wird Jørgensen ungeschoren davon kommen, da ihm bezüglich der Verletzung des Wettbewerbsrechts nichts nachzuweisen ist, aber Knut schien mir weit mehr als ein Hilfskoch für Mats zu sein. Ein Punkt Vorsprung für das Cook & Chill, wenn Knut im Kittchen bleibt. Meint jedenfalls Britta.
    Was läge also näher, als sich ein köstliches Frühstück zu gönnen? Einen „Frenchtoast“ beispielsweise, mit einer Schicht Ahornsirup, frischen Früchten und kross gebratenem Speck. Ein Gedicht, trotz Frosch und gebrochenem Herzen. Ich stecke den Föhn ein und fische nach meiner Haarbürste auf der Ablage.
    Im Badspiegel blickt mir der Geist Brittas entgegen. Die treue Seele hat mich gestern Nacht mit den üblichen Beschwörungen entlassen, nachdem sie sich persönlich versichert hatte, dass kein Triebtäter hinter dem Blumenkübel an meiner Wohnungstür lauert.

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