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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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Wirkung eingebüßt.
    Auch wenn die Schriftstellerin sie zeitlebens eingeschüchtert hatte, wünschte Julia, die weltgewandte Louise erteile ihr einen Rat. Das flaue Gefühl in ihrem Bauch lässt sich weder wegatmen, noch mit positiven Gedanken übermalen. Sieht aus, als müsse sie, eine gastronomieunerfahrene Verwaltungsfachangestellte, die Geschäfte im Cook & Chill übernehmen. Allein die Vorstellung verursacht ihr Gänsehaut.
    „Was soll ich bloß tun?“
    Doch Louise bleibt stumm und ihre eigenen übersinnlichen Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig. Keine Plauderei mit einem Geist oder Hilfe aus einem Paralleluniversum zu erwarten. Sie schielt zum Büro. Die Tür steht einen Spalt offen, fast erwartet sie Kattas fröhliche Stimme daraus zu hören:
    „Schneckenvögelchen, stell dein Licht nicht so unter den Scheffel. Du kannst kochen und wer dir was anderes weismachen will, ist ein kompletter Volltrottel.“
    Ob das auch für die Leitung eines Ladenlokals gilt?
    „Warum nicht? Solange du es mit Liebe tust ...“
    Julia holt Luft. Liebe für das Cook & Chill hat sie wahrhaftig mehr als genug. Sie kehrt Louise den Rücken ... und stutzt, als sie ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern spürt. Als ob sie nicht allein im Gang stünde. Mit klopfendem Herzen dreht sie sich um.
    Niemand da.
    Mit zusammengekniffenen Augen begutachtet Julia die Fotografie an der Wand erneut. Lacht auf und schüttelt den Kopf. Ihre Einbildungskraft ist wirklich haarsträubend, natürlich hat sich Louises Gesichtsausdruck kein bisschen verändert.
     
    „In zwei Wochen sind Sie wieder auf dem Damm, Fräulein Lehner! Bis dahin dürfen Sie alle Annehmlichkeiten unserer Klinik genießen.“
    Ich bin enttäuscht. Auf meinem Teller liegen zwei Graubrotscheiben, ein paar ordinäre Fleischwursträdchen, eine Tomate und saure Gurken aus dem Glas – also definitiv keine Astronautennahrung. Außerdem lag ich weder im Koma, noch ist zwischen dem gestrigen Unfall und meinem heutigen Brummschädel ein Meteoritenschwarm auf der Erde eingeschlagen.
    Statt des erlösenden Gedächtnisverlustes erlitt ich eine Armfraktur, glatter Bruch der Elle, die Speiche ist bloß angeknackst. Hinzu kommen drei angebrochene Rippen, ein riesiges blauschwarzes Hämatom dort, wo der Sicherheitsgurt mich in den Sitz gepresst hat, und ein mittelschweres Schleudertrauma. Summa summarum schmerzhaft, aber ungefährlich.
    „Na, das ist ja toll.“ Ich lächle angestrengt. Dieser Arzt tut, als hätte ich einen Wellnessurlaub in den Schweizer Alpen gewonnen.
    Mutti sitzt mittlerweile auf der anderen Bettseite, streichelt meine Wange und malt mit den Fingern lauter Wörter der Glückseligkeit und allerhand zusammenhanglosen Käse in die Luft. Ein günstiger Moment, sie um ein Darlehen zu bitten. Doch ich verwerfe die Idee, als ich „Kreuzfahrt mit Wolfgang im Januar“ lese und mir ihre roten Bäckchen auffallen. Oha. Meine Mutter hatte jahrelang keinen Spaß, da werde ich sie kaum um ihre Ersparnisse bringen, nur um meinen Hintern zu retten.
    Der Doktor steht nach wie vor am Fußende meines Bettes und träumt vor sich hin. Seine Anwesenheit ist mir irgendwie unangenehm.
    „Irgendwie ist mir to-tal schwindlig ...“ Ist nur halb gelogen. Mir ist zwar nicht schwindelig, aber ich habe entsetzliche Kopfschmerzen. Dr. Wellnessresort beäugelt mich durch seine Professorenbrille.
    „Ein Schleudertrauma ist kein Pappenstiel. Sie brauchen viel Ruhe und Schlaf, Fräulein Lehner“, wackelt sein Zeigefinger. Wenn der nochmal Fräulein zu mir sagt, stecke ich ihm seine Spreewald-Gurke in die behaarten Nasenlöcher!
    Besser ich stelle mich tot, ehe ich mich hinreißen lasse. Vielleicht verschwindet dieser Möchtegern-Medikus dann anstandshalber. Ehrlicherweise höre ich kurz darauf weder das Türgeräusch, noch spüre ich Muttis Abschiedskuss, der einen rosaroten Fleck auf meiner Wange hinterlassen wird. Ich schlafe sofort ein.
     
    Die Lilien riechen fürchterlich, sodass Felix gezwungenermaßen die Luft anhält. Er weiß nicht, was ihn nervöser macht: der Blumenstrauß vor seinem Gesicht oder die Tatsache, dass er nicht willkommen ist. Vorsichtig schiebt er ein Blütenblatt beiseite und linst durch den entstandenen Spalt im Blattwerk.
    Die Frau, die mitten im Gang mit der Stationsschwester plaudert, ist eindeutig seine Schwiegermutter in spe. Sich unbemerkt an ihr vorbeizuschleichen, ist unmöglich. Leider versteht Felix bis heute nicht, was ihre fliegenden Hände sagen, den

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