Haeppchenweise
dazugehörenden Gesichtsausdruck findet er aber äußerst alarmierend.
Endlich dreht sie sich auf dem Absatz um und marschiert mit besorgter Miene auf ihn zu. Er rutscht tiefer in den Besucherstuhl und hebt den Lilienstrauß höher. Das Blümchenkleid raschelt dicht an ihm vorbei, kurz darauf schließt sich die gläserne Stationstür hinter Kattas Mutter. Felix zögert nicht einen Moment. Er springt von seinem Stuhl und hastet, ohne sich umzusehen, den Flur hinauf.
Als Felix in Zimmer Nummer 313 verschwindet, verhärtet Martha Lehner ihren Griff um die Schlaufen ihrer Henkeltasche und wendet sich mit einem wissenden Lächeln von der Glastür ab. Wolfgang erwartet sie an den Aufzügen, den Hut in der Hand, den Regenschirm unter den Arm geklemmt.
Julia verspürt zum ersten Mal in ihrem Leben das Verlangen nach einer Zigarette. Mit einem gewissen Chaos hatte sie durchaus gerechnet, auf das tatsächliche Ausmaß von Kattas Unordnung war sie nicht vorbereitet gewesen. Zu ihren Füßen stapeln sich die Unterlagen, die auf dem Schreibtisch keinen Platz mehr gefunden haben. Dank Johannes Sekretärin herrscht zwar Ordnung in den Belegen, und wie sie Elfi Müllers Schriftverkehr entnimmt, verzichten einige Gläubiger sogar auf Teilbeträge oder stunden ihre Forderungen ... „Trotzdem nimmt das Cook & Chill zu wenig ein!“
Ihre Faust donnert auf die Arbeitsplatte, die Gewissensbisse folgen auf dem Fuße. In letzter Zeit entdeckt sie immer öfter diese Seiten an sich. Und der verbotene Gedanke, zu rauchen, lässt sie auch nicht mehr los. Vorsichtig zieht sie am Schubladengriff des Rollcontainers. Wie erwartet ist die Schublade unverschlossen.
Julia lacht auf. Ihre Chefin hat das gesamte Kioskarsenal in dem Fach gebunkert, Kaubonbons, angebrochene Schokoriegel und alle möglichen Fruchtgummisorten. Hinten liegen ein Pfefferspray, lose Tampons und ein Deck Tarotkarten, original verpackt. Eine lose Karte mit einem brennenden Turm darauf. Aber keine Zigaretten.
Julia lehnt sich zurück, ihr Blick haftet sich an den Papierkorb. Kopfschüttelnd fischt sie zerknüllte Bankbelege, Telefonnotizen und eine Mahnung von Januar heraus. Sie glättet seufzend die zerknitterten Papiere, um sie ihrer wahren Bestimmung zuzuführen: dem Verbleib in der Ablage oder einem schnellen Tod im Schredder. Auf einem zerrissenen Cateringentwurf klebt eine gelbe Haftnotiz.
„Frau Margarete Lohrisch Rückruf, Hochzeitscatering, ca. 200 Personen“ steht da in Kattas schwungvoller Handschrift, datiert vom letzten Monat. Julia spürt den Anflug eines erleichterten Lächelns auf ihrem Mund.
Natürlich ist er zu früh. Der Kurs beginnt um acht, die Küchenuhr zeigt sieben und Julius schwitzt, als habe er ein Menü für hundert Personen in Linie gebracht. Nun schlendert er seit Minuten in der Küche umher, auf der Suche nach einer Beschäftigung. So wenig er die Kochkünste des Japaners beurteilen kann, den Umgang mit Stahlpolitur beherrscht dieser Minzou perfekt, denn zu seiner Enttäuschung findet er keinen einzigen Fingerabdruck auf den Edelstahlflächen. Trotzig greift er nach einem Lappen, der über dem Heizkörper trocknet.
Fünf Minuten später legt er das Tuch beiseite. Wie albern, ein blankes Spülbecken erneut zu wischen. Auch die Vorratskammer scheint tadellos in Schuss zu sein und wie abgesprochen, lagert Minzous Kochgeschirr auf der kürzeren Regalseite. Misstrauisch begutachtet Julius ein dreiteiliges Schnabelgefäß und wedelt mit einer Drahtgitterkelle in der Luft herum, die wie eine Fliegenklatsche aussieht. Achselzuckend verlässt er die Kammer und öffnet den Kühlschrank, um dort irgendetwas zu finden, worüber er sich ärgern kann. Aber alle Fächer wurden laut Temperaturrichtlinie befüllt, Käse oben, darunter die Milchprodukte und mittig, dort wo es am kältesten ist, die Fleischwaren.
Vorsichtig hebt Julius den Deckel einer Tupperdose an und schnuppert misstrauisch an den viereckigen Teigtaschen. Das Grundaroma ist unverwechselbar: Limone und Koriander. Dazwischen erahnt er den süßlichen Hauch von etwas, das er nicht einordnen kann. Mit spitzen Fingern fischt er ein glibberiges Täschchen heraus und beißt hinein.
Er kaut und hält überrascht inne. Auf seinen Geschmacksknospen entfaltet sich Ungeheuerliches. Süß und salzig zugleich, Schärfe und Säure gesellen sich hinzu. Das ist ... köstlich!
„Julius? Was machst du da?“
Die Dose gleitet aus seiner Hand und poltert auf die Fliesen. Julia steht mit
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