Haeppchenweise
Bilderrahmens.
„Die Servierschiffe sind so schwer ...“ Ein Flüstern, kaum hörbar.
„Wie viel?“
Ihre flachen Brüste heben und senken sich heftig.
„Zwei Porzellanschüsseln und ... ein Teller?“ Die Haut ihres gebeugten Nackens schimmert milchig, einige Härchen haben sich aus dem Zopf gelöst. Sein Unterleib reagiert sofort auf den Reiz und würzt seinen aufflammenden Zorn mit einer Portion Schärfe. Diesmal unterlässt er es, seine Faust auf den Tisch niedersausen zu lassen. Die Tischplatte kann schließlich nichts dafür. Er erhebt sich langsam, lässt das Mädchen dabei nicht aus den Augen.
Erst als er so nah vor ihr steht, dass sein Finger ihr spitzes Kinn erreicht, erlaubt er sich ein Lächeln. Sie zittert wie Espenlaub. Wieder so eine, der man den Verstand mit großen, harten Mitteln eintrichtern sollte. „Das heißt Lohnabzug, meine Süße. Sieht aus, als arbeitest du in der nächsten Zeit umsonst für mich.“
Sie nickt und weicht zurück. Nimmt Reißaus vor ihm. „Es sei denn ...“ Jetzt wird sie noch blasser, als sie eh schon ist. „... du bezahlst in Naturalien.“
Das Milchmädchen schluchzt, macht auf dem Absatz kehrt und flüchtet hinaus. Sein belustigtes „He! War ´n Scherz“, prallt gegen die geschlossene Tür.
Was für eine überdrehte, dumme Gans! Mats grinst in sich hinein und schiebt die zweite Sandwichhälfte am Stück in seine Backentasche, Remoulade spritzt auf seine Schreibtischunterlage. Er wischt mit dem Finger darüber, erspürt die kleinen Stückchen in der cremigen Basis. Spreewald-Gurken und Schalotten. Jede Rezeptur in diesem Haus ist bis aufs Gramm in seinem Gedächtnis gespeichert, wird nach gewissenhaften Aufzeichnungen hergestellt, mit immer denselben Zutaten – und von Knut überprüft. Keiner käme jemals auf die Idee, dass Mats Jørgensen, der berühmte Fernsehkoch, die einzelnen Ingredienzien nicht voneinander unterscheidet.
Kauend mustert er durch das Fenster den appetitlichen Hintern der neuen Kellnerin, die die Sonnenterrasse für den Nachmittagskaffee vorbereitet. Bald vollstreckt er den finalen Stich in Zanders kümmerliche Kochschürze. Er kann es kaum erwarten, diesen Mistkerl am Boden liegen zu sehen.
„Wellst do dat wirklich maache?“
Das tut Helga ständig. Ist eine Marotte von ihr, wie aus dem Nichts aufzutauchen und ihn zu Tode zu erschrecken. Die Art und Weise, wie sie entspannt an der Schlafzimmertür lehnt und ihn aus halb geschlossenen Lidern ansieht, lässt keinen Zweifel daran: Helga sieht ihm schon seit einiger Zeit zu.
Julius hat ausgiebig und heiß geduscht, sich rasiert und die Zähne geputzt. Zweimal. Es ist nur die Erinnerung an das pelzige Gefühl auf der Zunge, trotzdem schmeckt er den Alkohol noch immer. Seit einer Viertelstunde verharrt er nun splitterfasernackt vor dem Spiegelschrank im Ankleidezimmer und fühlt sich merkwürdig substanzlos. Zu seinen Füßen hat sich eine Wasserlache gebildet. Er macht sich nicht die Mühe, sich abzutrocknen, obwohl er vor Kälte zittert.
Die Belegschaft hatte ein spätes Mittagessen gegessen, als sie die Nachricht von Kattas Unfall erreichte. Julius hatte den uniformierten Grünschnabel angeglotzt, ohne zu begreifen, was der Mann faselte. Während Martha Lehner totenbleich mit den Polizeibeamten mitging, die sie ins Krankenhaus fuhren, war er wortlos aufgestanden und die Treppen zur Mansarde hochgestiegen.
Im Wohnzimmer hatte er zunächst reglos vor dem Barschrank gestanden und sein Gesicht in der verspiegelten Schranktür angestarrt. War Hals über Kopf losgerannt, um fieberhaft alle Spirituosen einzusammeln – auch die unter Helgas Ohrensessel, in den Schuhschachteln und die im Kleiderschrank. Als er im Bad den ersten Schraubverschluss öffnete und den stechenden Alkoholgeruch einatmete, verlor er die Beherrschung. Zwei Schlucke, vielleicht drei ... das Bedürfnis, sich zu übergeben, war sofort übermächtig. Er spuckte den Whiskey ins Becken und drehte grimmig entschlossen den Hahn auf. Dann schüttete er die Flasche in den Ausguss – und tat dasselbe mit allen anderen verfluchten Geistern, die ihn seit über zwanzig Jahren verfolgten.
„Do nützt Katta nit, wenn do krank wirst!“
Helga greift an ihm vorbei in den geöffneten Kleiderschrank. Beim Anblick der Kochjacke schießen ihm jäh Tränen in die Augen. Die Jacke ist fabrikneu, zweifach vernäht und mit Messingkugelknöpfen versehen. Auf der Umschlagmanschette glänzen seine Initialen, ein eingesticktes J und
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