Haeppchenweise
verschränkten Armen in der Tür und grinst ihn an. Trotzig schluckt er den letzten Bissen herunter. „Was soll die Frage? Ich arbeite hier!“
Lächelt nur noch breiter, das hübsche Ding.
„Ich finde es großartig, dass du Kattas Kurs übernimmst.“
„Hat Helga getratscht?“
„Das war nicht nötig. Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn du nicht auf die Idee gekommen wärst.“ Julia dreht sich auf dem Absatz um. „Ich schließe eben auf, draußen warten Henry, Lukas und Vida.“
Henriette. Dass seine Tochter zu den Kursteilnehmern gehört, hatte er erfolgreich verdrängt. Bis jetzt.
„Na dann ...“ Das Verlangen nach einem Schluck Whisky rumort heftig in seinen Eingeweiden und zieht seinen Gaumen zusammen. Er kniet nieder, um die Teigtaschen vom Boden aufzulesen. Benötigt mehrere Anläufe, weil die öligen Teilchen glitschig sind, nicht, weil seine Hände zittern.
Als die Schüler eintreten, liegt Julius auf dem Bauch und angelt unter dem Herd nach einem entwischten Asiaravioli. Er hatte die jungen Leute weniger laut und geschwätzig in Erinnerung, von denen er nur behoste Beine und Schuhe erspäht.
Lachsfarbene Ballerinas tänzeln dem Schlurfgeräusch ausgetretener Turnschuhe voran, gefolgt von Schnürstiefeln und einem Paar selbstbewusster Collegeslipper. Kurz darauf betreten nylonbestrumpfte Sandalen sein Sichtfeld und ein Gespann schwarzer Pfennigabsätze. Ein Schnürschuhpaar in Kindersarggröße bleibt neben ihm stehen, sodass Julius beschließt, dem unauffindbaren Glibbertäschchen seine Freiheit zu lassen. Als er sich aufrichten will, melden sich jäh seine Bandscheiben zurück. „Arghh!“
„Julius? Was machst du unter dem Herd?“
„Du wiederholst dich, Kleine“, stöhnt er und schreit auf, als ein Arm unter seine Achsel fasst und ihn vorsichtig auf die Beine hebt. Der absonderliche Mensch, zu dem die Riesentreter gehören, war ihm schon letztes Jahr unangenehm aufgefallen. Nun fasst ihn dieser Friedrich sogar an und kommt ihm so nah, dass er seinen Pfefferminzatem riecht!
„Ist mit ihm alles Okay?“
Julius tritt wortlos beiseite, nickt in die erstaunten Mienen der zwei Rotzlöffel und weniger angefressen in Julias Engelsgesicht. Mustert argwöhnisch die alte Frau und die jüngere daneben, eindeutig Mutter und Tochter. Unwillig ergreift er die dargebotene Anwaltshand, die nach Babypuder duftet, und brummt vage in die Runde. Zuletzt bemüht er sich um ein Lächeln in das leere Gesicht seiner Tochter, die mit verschränkten Armen am Fenster lehnt und durch ihn hindurchsieht.
Henriettes Haare sind kürzer als in seiner Erinnerung, ihre Wangenknochen ausgeprägter, fast slawisch. Von den Mundwinkeln führen tiefe Kerben zum Kinn herab und der vorgeschobene Kiefer verleiht ihr Ähnlichkeit mit einem Karpfen.
Er hatte gedacht, er würde sie niemals wiedersehen. Erst seit er vor zwei Jahren in ein normales Leben zurückgekehrt war, hatte er sich getraut, sich eine mögliche Begegnung auszumalen. Das Mädel ähnelt allerdings kein bisschen der adretten, lieblichen Julia, die er sich als Tochter gewünscht hätte. Aus der quirligen Vierjährigen ist eine reizlose Kopie seiner selbst geworden. Mit Lydias Namen und ihren zweifarbigen Augen. Ersatzweise schaut er in das nächstbeste Gesicht.
„Sie!“
Das arglose Lächeln der alten Frau wird breiter.
„Was genau tun Sie, falls Ihnen ein Kollege versehentlich kochendes Wasser über die Beine kippt? Oder heißes Fett auf Ihre Füße spritzt?!“
Alle Augen folgen Julius Finger, der vorwurfsvoll auf Roúlas Nylon-Zeh zeigt.
„Auch im Hochsommer trägt hier niemand Badelatschen oder Sandalen! Und das da ...“ Eine winzige Pause, ehe sein Klagefinger zu den Lackpumps schwenkt. „... gehört auf einen Schulball, aber garantiert nicht in meine Küche!“
Die schwarzhaarige Ballkönigin schnappt nach Luft.
„Das ist ein Missverständnis. Ich bin nicht ...“
„Mir wurscht, was Sie sind oder was nicht! Im Spind draußen finden Sie ein paar Pantoffeln. Ohne vernünftiges Schuhwerk brauchen Sie sich hier nicht wieder blickenzulassen!“
„Das verstehe ich, ich wollte doch nur ...“
„RAUS!“
Die Alte zupft die Jüngere am Blusenärmel. „Melitta, er hat ja Recht. Komm, wir gehen nachsehen.“
Kaum hat sich die Tür hinter den beiden geschlossen, fixiert Julius die verbliebenen Kochschüler, die größtenteils betreten auf den Boden gucken.
„Da ich jedes Gesicht hier schon einmal gesehen habe, ist es wohl unnötig, sich
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