Haeppchenweise
denkt sich derart Groteskes aus?“
Britta kichert und raschelt mit den Seiten. „Das soll vielleicht eins der Siegergerichte für die Kochshow werden, hat Julia mir gesteckt.“
„Mit dir redet sie wenigstens.“ Skeptisch tauche ich die Plastikgabel in die Soße und schnuppere an einem Stück Fleisch. Riecht lecker. Malzig und süßlich irgendwie. „Julius duldet wirklich Limonade in seinem Essen?“
„Wenn du wüsstest, was der Zander noch über sich ergehen lässt ... Das darf doch nicht wahr sein!“ Brittas Augen weiten sich, als habe sie soeben ein Gespenst gesehen.
„Was ist?“ Misstrauisch linse ich über meine Schulter, entdecke aber weit und breit keine Spur von Louise. Die Zeitungsseite raschelt aufgeregt.
„Floppy!“
„Himmel Britta! Sprich bitte deutsch. Wer oder was ist Floppy?“
„Zuchtrüde Filopius von der Traben. Das ist der Hund von dieser netten alten Dame in der Münzgasse!“ Sie tippt auf das Dackelfoto.
Meine Hand schießt vorwärts, das Blatt reißt mit einem feinen „Ratsch“ in zwei Hälften. Wie betäubt schaue ich in das einzelne, druckgeschwärzte Dackelauge.
„In der ... wo?“
„Mensch, Katta! Darunter steht es doch: Fotograf: F. S.! Felix Sander! Er hatte gar keine Affäre in der ...“ Britta verstummt betroffen.
„Sondern ein Rendezvous mit einem Dackel“, beende ich ihren Satz tonlos.
Felix hatte ein Fotoshooting in dem Haus, in dem ich seine Geliebte wähnte. Und ich habe mit ihm Schluss gemacht, weil ich ... ein Schaf bin. Ein riesiges, dummes Schaf.
„Weißt du was, Britta?“
„Hm?“
„Ich denke, ich sollte tatsächlich mit Stricken anfangen.“
Panta rhei
Die ganze Welt befindet sich in einem steten Fluss
und ist ständigem Werden und Wandeln unterworfen.
(Heraklith 544 v. Chr. – 483 v. Chr.)
Als ich aufwache, rinnt etwas meine Schläfe entlang. Offensichtlich tut es das schon eine Weile, denn das Kissen fühlt sich nass an. Ich drehe mich auf den Rücken und starre an die Zimmerdecke. Müsste Spätnachmittag sein, denn mein Magen knurrt vernehmlich. Vom Nachbarbett tönt leises Schnarchen herüber, beruhigend vertraut und zugleich ein verstörender Fremdlaut wie aus einem Paralleluniversum.
In diesen Tagen befindet sich nichts da, wo es hingehört. Selbst mein Körper weigert sich, so zu funktionieren, wie er sollte. Nachts bekomme ich kein Auge zu, weil ich an Felix denke, tagsüber träume ich von ihm. Meine Gefühle drehen sich wie ein bunter Kleiderhaufen in einer Waschmaschine mit Dauerbetrieb. Dabei ist heute der Tag der Entscheidung. Um zwanzig Uhr startet der Kochwettbewerb, der live das Ende meiner beruflichen Existenz festhalten wird. Es ist mir plötzlich vollkommen gleichgültig.
„Wann hörst du endlich auf zu flennen und gibst Butter bei die Fische, Kind? Was brauchst du noch, um einzusehen, dass du Bockmist gebaut hast?“
Louise klingt so wach, als habe sie den ganzen Nachmittag darauf gelauert, mich beim Heulen zu erwischen.
„Du schläfst ja gar nicht.“
„Ich bin ein Produkt deiner Phantasie und verfüge über keinerlei körperliche Bedürfnisse. Obwohl ich liebend gerne Zanders Cola-Hühnchen probieren würde. Eine Zigarette hätte ebenfalls einen gewissen Reiz ...“, erwidert Louise bissig.
„Allmählich bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich an Wahnvorstellungen leide. Dafür nervst du einfach zu sehr.“ Wieder taucht Felix Gesicht vor mir auf, meine Herz-Magen-Waschmaschine wechselt in den Schleudergang.
„Was wirst du also tun?“ Mein übernatürlicher Folterknecht lässt nicht locker.
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Ruf ihn an. Bitte deinen Freund, herzukommen.“
Ich setze mich auf und verknote meine Beine zum Schneidersitz.
„Felix geht nicht ans Telefon. Außerdem habe ich seine Blumen verschenkt.“
„Verstehe ich. Die stanken bestialisch.“
Zaghaft schiele ich zum Nebenbett, in der festen Erwartung, eine fremde Frau vorzufinden. Doch es ist die alte Schriftstellerin, wie sie leibt und ... ähm, spukt? Allerdings kommt sie mir heute verändert vor. Ihr Profil flimmert, als würde sie sich jeden Augenblick selbst entzünden. Auch liegt sie nicht auf ihrem Bett, sondern schwebt leicht davor, als halte jemand eine Scherenschnittfigur vor das Bettgestell.
„Was meinst du denn, was ich tun sollte, Louise?“
Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Ich frage einen Geist um Rat! Das dürfte der Anfang vom Ende sein. Louises kristalline Augen leuchten
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