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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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lösche das Licht.
     
    Als Julius eine halbe Stunde später im Türrahmen erscheint, macht niemand am Gemeinschaftstisch Anstalten, das Geplapper zu unterbrechen. Er überlegt, ob er beleidigt sein soll, weil ihn keiner beachtet oder sich freut, weil die Truppe sich endlich zusammenrauft.
    „Das ist wirklich bemerkenswert!“ – „Und du hast die Cola nur versehentlich hineingekippt?“ – „Irre lecker, Vida!“ – „Schreibst du mir das Rezept auf?“
    Seine Finger umfassen die Bierflasche fester. Julia und Henry rutschen auseinander, sodass eine Lücke auf der Bank entsteht. Schwerfällig rutscht er auf den frei gewordenen Sitz.
    „Ist noch eine Kelle von diesem New-Age-Unsinn übrig? Der Hunger wird´s schon reintreiben.“ Er glaubt selbst nicht, was er da sagt. Er öffnet den Flaschenverschluss mit seinen Backenzähnen und spuckt den Kronkorken verächtlich aus.
    „Cola und Bier sollen hervorragend harmonieren“, murmelt er ergeben.
    „Du liegst völlig falsch mit deiner Einschätzung, Meister.“ Julia schöpft Reis und eine dunkelbraune Pampe auf seinen Teller, und ehe sie die Kelle ein zweites Mal in die Schüssel tauchen kann, hebt er rasch die Hand.
    „Glaub mir, nach diesem Kochkurs wundert mich gar nix mehr!“
    Die Soße riecht wirklich übel. Julius schließt ergeben die Augen und steckt das Unvermeidliche in den Mund. Das spontane „Oha!“ unterdrückt er erfolgreich und kaut, bemüht, seinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren. Schluckt und schaufelt den nächsten Bissen auf seine Gabel.
    Vida kichert, ein hoher Ton, der in seinen Ohren schmerzt. Der komische Friedrich bohrt seine Messerspitze in den Tischläufer, der Anwalt lockert seine Krawatte. Henriette stiert ihn mit offenem Mund an.
    „Ich wusste nicht, dass man in Chile japanische Sojasoße braut“, sagt er trocken in die gespannten Mienen, spült mit einem Schluck Pils nach ... und rülpst.
    Vida läuft puterrot an.
    „Der Ingwer macht´s ansatzweise genießbar.“ Julius unterdrückt ein Schmunzeln. „Für die Jury wird´s originell genug sein, dass sie es mögen werden.“ Auf der Suche nach Ablenkung haftet er seinen Blick auf die kleine Porzellanschale mit Oliven. „Und was ist das? Auch so ein Familienrezept? Vielleicht ein trojanisches Pferd, he he?“
    „Das sind süße Oliven, Herr Zander.“
    Melittas Stimme klingt feindselig. Die hohe Stirn der jungen Griechin glänzt und ihre Hände kneten die Serviette auf ihrem Schoß.
    „Süße Oliven?“, wiederholt Julius skeptisch.
    „Roúla hat sie als Vorspeise mitgebracht.“ Julia legt ihre Hand auf Melittas Fäuste und nickt Roúla ermunternd zu. Die alte Frau erhebt sich umständlich von der Stirnseite. Julius muss sich beherrschen, um nicht aufzuspringen.
    „Unsere Familie stammt aus Serres. Das liegt im Norden Griechenlands. Meine Mutter besaß Olivenbäume und stellte fast alles aus ihren Oliven her. Cremes, Öl, Tapenaden, sogar Medizin für die Dorfapotheke. Im Haus meiner Mutter wurden zu jeder Mahlzeit Oliven gegessen, jeden Tag. Eines Tages sagte die Enkelin, sie sei das dauernde Olivenessen leid, der Geschmack war ihr zu langweilig. Da kam Mammá auf die Idee, aus den Salzoliven Dessertoliven zu machen. Sie experimentierte ein wenig herum, und als die Enkeltochter das nächste Mal zu Besuch kam, gab sie dem Kind zum Nachtisch ...“
    „Süße Oliven“, beendet Melitta leise und lächelt.
    Julius betrachtet die beiden Frauen stumm. Etwas regt sich in ihm, das er nicht einordnen kann. Mit Daumen und Zeigefinger klaubt er eine blassgelbe Olive mit Mandelköpfchen aus dem Schälchen und steckt sie in den Mund.
    „Herrschaften ...“ Er fixiert die Sterneköchegalerie an der Wand über dem Gewürzschrank. Bocuse, der alte Schwerenöter würde glatt aus dem Rahmen kippen, wenn er dieses Colahuhn kosten müsste. Julius grinst in sich hinein. Melittas Serviette liegt mittlerweile als unförmiger Knoten auf ihrem Schoß. Er sollte die junge Frau erlösen.
    „Vergessen wir dieses überkandidelte Sterneküchen-Brimborium. Das ist für Menschen von gestern. Wir präsentieren diesen Fernsehleuten eine ehrliche und einfache Küche, die genauso raffiniert daherkommt, wie diese Oliven.“
    „Gegen Jørgensens Sterneküchen-Brimborium haben wir mit einer schlichten Küche keine Chance!“ Lukas und verschränkt die Arme vor der Brust. Vida und Julia machen tellergroße Augen und winden sich auf ihren Sitzen.
    „Also, er weiß nicht ...“ Friedrich schüttelt den

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