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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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auch schauen, ob da alles in Ordnung ist.« Er zwinkerte.
    Das gab’s doch nicht! Er musste doch davon ausgehen, dass ich das gar nicht wusste! Und dann erzählte er mir das? Aber das war jetzt nicht so wichtig, viel wichtiger war, dass es hier wirklich Videoüberwachung in den Büros gab. Na klar, die Sicherheit des Theaters stand an oberster Stelle. Mein Mann war hier so was wie der Sicherheitsinspektor. Ständig erzählte er mir vom Theaterbrand in Wien 1881, bei dem das Gebäude bis auf die Grundmauern abgebrannt war, und dass es absolut unerlässlich war, die Brandschutzbestimmungen seines Theater einzuhalten. Wenn auf der Bühne jemand rauchen musste, weil es so im Drehbuch stand, musste er quasi erst die Unterschriften der Kanzlerin und des Innenministers einholen und dann während der Vorstellung, unbemerkt vom Publikum, die gesamte Feuerwehr Hamburgs in Alarmbereitschaft versetzen.
    »Jonas’ Büro ist ja das einzige Raucherbüro. Da muss ich öfter mal gucken, ob da noch ’ne Zigarette im Aschenbecher glimmt oder so«, erklärte T. Jensen mir zwinkernd. Er war anscheinend ein ausgesprochener Voyeur. Hier hatte ich meine Überwachungsvideos. Und entweder ich glaubte ihm jetzt das, was er erzählte, oder ich ließ es mir noch auf Video zeigen.
    »Warum erzählen Sie mir das denn alles?«, fragte ich skeptisch durch das runde Fenster seiner Glasscheibe. Gut, dass gerade niemand vorbeikam! War das Zufall? Vorsehung? Wie auch immer. Wir konnten jedenfalls in Ruhe sprechen.
    »Weil Sie die Ehefrau sind. Und weil Sie schon neulich so wahnsinnig gestresst aussahen, als Sie mit Ihrer Freundin hier waren. Das ist übrigens ’ne verdammt Hübsche, grüßen Sie die doch mal von mir!« Er lachte. Klar, alle fanden Lilly hübsch. Wusste ich ja auch.
    Er war aber noch nicht fertig. »Und wissen Sie was? Ich erzähle Ihnen das, damit Sie sich keine Sorgen machen. Lütte, ik kenn dat nämlich aus eigener Erfahrung, wat dat fürn beschissenes Gefühl ist, wenn man denkt, dass man betrogen wird.« Er verfiel in Hamburger Dialekt, was ich absolut süß und sympathisch fand.
    Jetzt steckte er sich eine Zigarette an. Von wegen Sicherheitsbestimmungen. Irgendwie glaubte ich ihm.
    Herr Jensen wäre jetzt vielleicht niemand, mit dem ich abends mal was trinken gehen würde, dafür hatten wir sicher zu wenige gemeinsame Interessen – ich fand ja auch Kreuzworträtsel total blöd –, aber er schien mir eine ganz liebe Seele zu sein. Und warum sollte er mir so was erzählen, wenn es nicht stimmte? Damit würde er sich ja nur lächerlich machen.
    Jemand stand draußen vor der Tür und klopfte. Herr Jensen drückte auf den Summer und nickte wieder mürrisch, als ein Mann ins Theater trat und »Moin!« rief. »Moin«, murmelte ich zurück. Der zweite Summer ertönte, der nass geregnete Theaterkollege verschwand in den Fluren.
    Aha, der mürrische Pförtner war so ein Typ, harte Schale weicher Kern. Es klopfte wieder draußen an der Tür. Ich drehte mich um. Jessica!
    »So, nu sieh aber zu, dass du schnell zu deinem Mann kommst, min Deern!«
    »Ja! Danke!«, sagte ich und riss die Tür auf. Nee, Moment, jetzt summte es erst. Ich riss noch mal und stürmte zum Fahrstuhl. Hinter mir stand Jessica vorm Theater im Regen und wartete darauf, dass T. Jensen sie hineinließ. Als ich einen Blick zurückwarf, trank der gerade einen Schluck aus seinem Kaffeebecher.  Ich bin hier der Boss.  Danke schön!
    Im Theater herrschte wie üblich am Samstagabend Hochbetrieb.
    Premierenstimmung. Es wurde  Rapunzel  aufgeführt, in der modernen Fassung –  nicht  für Kinder geeignet.
    Vor dem Fahrstuhl wartete ich jetzt nervös zusammen mit vier Schauspielern, die nur in Bademäntel gehüllt waren. Wie lange konnte der nette Herr Jensen Jessica am Eingang festhalten? Ob er sie vielleicht auch einfach in ein Gespräch verwickelte, so wie mich? Ich wollte auf jeden Fall zuerst bei Jonas sein, damit er nicht von Jessica erfuhr, dass ich mit ihr gesprochen hatte.
    Trotz meiner Aufregung grinste ich einen der Schauspieler im Bademantel an. »Schickes Kostüm!«, bemerkte ich.
    »Das ist nicht das Kostüm. Das ist ein Bademantel«, stellte einer der Männer, ein älterer mit Glatze, klar.
    »Oh.« Ich nickte. Verstand ich alles. Klar, kein Kostüm. Wollten die jetzt erst zur Sauna? Ich würde Jonas fragen, falls es mich nachher noch interessierte. Wann kam denn der verdammte Fahrstuhl? Das Theater war so verwinkelt und voller Flure und Gänge, dass

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