Haertetest
hatte ich bereits eine Nachricht von ihm: »Bin im Theater, muss noch was erledigen. Maja ist bei Oma. Hab dich lieb!«
Aha, er hatte seine Mutter wieder überreden können, unser Monsterkind zu beaufsichtigen. Damit hatte sie sie jetzt schon öfter gesehen als in den letzten zwei Jahren zusammen. Und das hieß auch, sie würde morgen Bauchschmerzen von zu vielen Süßigkeiten haben, müde sein, weil sie die ganze Nacht fernsehen durfte, und ständig quengeln, dass sie wieder zu Oma Inge wollte. Mahlzeit!
Jonas war also hier in Hamburg, nicht zu weit entfernt von Winterhude, quasi nur auf der anderen Alsterseite. Ich antwortete ihm nicht. Da ich aus Fehlern meistens nicht lernte und immer dachte, es müsste beim nächsten Mal einfach besser funktionieren, wollte ich Jonas wieder im Theater überraschen. Ich wusste, dass ich mit Jessica irgendwie Mist gebaut hatte. Und das wollte ich ihm lieber persönlich sagen.
Auf dem Jungfernstieg herrschte samstägliches Gedrängel, Einkaufssüchtige und Touristen machten sich auf den Weg nach Hause oder in die Stadt, standen sich im Weg, schoben sich zur Seite und versuchten ihre davonwehenden Regenschirme festzuhalten. Ich fluchte, weil ich hier mit Sicherheit keinen Parkplatz finden würde, und fuhr ins nächste Parkhaus, wo ich ungefähr dreißig Euro pro Stunde zahlen musste.
Als ich nach gefühlten sieben Stunden – weil das Parkhaus zu Ladenschlusszeiten auch keine so grandiose Idee gewesen war – keuchend vor dem Theater ankam, waren mein Parka und meine Jeans völlig durchnässt. Der klebrige Sekt auf meinem T-Shirt roch streng, und meine Schuhe waren matschig. Ich klingelte beim Pförtner, der mich erkannte und mürrisch einließ. Vor ihm lag ein Kreuzworträtsel, und daneben stand ein Becher Kaffee. Ich bin hier der Boss stand da drauf .
Um über den Intendanten-Eingang ins Theater zu gelangen, musste man eine Art Schleuse passieren. In der stand ich jetzt und wartete auf das Sesam-öffne-Dich für die zweite Tür.
»Hallo, ich wollte zu Jonas.«
»Ja? Dann ist also mit euch alles gut?«
»Wie bitte?« Mitten im Laufen, fast schon die Hand an der Klinke, blieb ich abrupt vor seiner Glasscheibe stehen.
»Ob ihr wieder zusammen seid. Das war ja ’ne ganz schöne Szene, die Jonas hier mit seiner – wie heißt die noch – Jessica hatte.«
Ich war total überrumpelt und gab ein krächzendes »Aha« von mir. Was fiel dem ein, mir so was zu erzählen? Kannte der mich? Offensichtlich hatte er Langeweile, war hier die Tratschtante im Haus, gut informiert und dazu noch in Plauderlaune.
»Äh – ja, alles gut mit uns«, entgegnete ich perplex. Warum unterhielt ich mich mit dem Theaterpförtner über meine Beziehung? Und warum duzte der mich? Und waren Jonas und Jessica hier wirklich schon so eng miteinander, dass alle dachten, die beiden wären die neuen Brangelina?
Der Pförtner war ungefähr fünfzig, hatte kurze braune Haare, eine Lesebrille und trug ein grau kariertes Hemd. Sein Namensschild zeichnete ihn als T. Jensen, Einlass aus. Er hob die Hände unschuldig in die Höhe.
»Tut mir leid, ich will mich da auch gar nicht einmischen!« Nee stimmt, das merke ich schon.
»Ich sag nur, was ich denke und was ich sehe. Und die beiden waren ja auch nicht gerade leise, als die sich hier Dienstagnacht gestritten haben.«
Ich war völlig perplex. Wie kam dieser wildfremde Mann dazu, mir etwas über meinen Gatten und seine Praktikantin zu erzählen? Andererseits konnte ich ihn jetzt genauso gut darüber ausfragen. Situation beim Schopf packen und so.
»Können Sie mir auch sagen, worum es bei dem Streit ging?«
»Joooa, das kann ich wohl. Ist ja nun auch eigentlich kein Geheimnis.«
Er grinste selbstgefällig und lehnte sich auf seinem Drehstuhl zurück.
»Was ist kein Geheimnis?«, hakte ich genervt nach. Jetzt komm, erzähl doch endlich, du willst es doch loswerden!
»Na ja, ganz einfach: Sie will was von ihm, und er will nicht. So sieht’s aus.«
Das klang ja schon mal nicht schlecht. Meine Idee von gestern Abend fiel mir wieder ein. Ich würde ihn jetzt aber nicht nach eventuellen Videoaufzeichnungen fragen … Ich kannte den Mann auch überhaupt nicht. Mir widerstrebte immer noch, mich darauf einzulassen.
Er holte weiter aus: »Das geht schon ’ne Weile so mit den beiden. Sie himmelt ihn an, und er weist sie ab. Dienstag hatte sie ihn dann wohl so weit, dass sie sich geküsst haben. Ich hab das ja mitgekriegt. Ich muss ja in den Räumen
Weitere Kostenlose Bücher