Haertetest
ehrlich, wer ist denn auch so blöd, seine Freundin so auffällig zu betrügen, dass sie es merkt?«
Tanja und ich waren uns einig und riefen aus einem Mund: »Na ja – Männer?«
Ich brachte den Ehering, der in meinem Portemonnaie darauf wartete, dass sein Besitzer ihn vermisste, nicht ins Gespräch. Auch von Jessicas Existenz wussten meine Kolleginnen nichts, und das war auch gut so.
Schlafende Teufel weckt man nicht, und ich wollte keinen Hund an die Wand malen. Oder so ähnlich.
Ich holte mir noch einen Kaffee, damit ich mein Gehirn vielleicht doch noch überreden konnte, sich etwas anzustrengen.
In der Küche traf ich auf Eva aus dem Marketing. Ich bemühte mich wirklich, mit allen Kolleginnen gut auszukommen, aber Eva hatte eine Art an sich, dass man sie einfach grundunsympathisch finden musste. Um nicht zu sagen: Eva war biestig und blöd. Das war nicht nur meine Meinung, auch Katja, Bianca, Jojo und Tanja fanden das. Wo sie nur konnte, reckte, streckte und räkelte sie sich, damit wir auch nur ja alle ihre tolle Modelfigur bewunderten.
Leider war sie der Liebling der Chefin, da sie ja angeblich so tolle Arbeit ablieferte und so wahnsinnig engagiert war und überhaupt, ah und oh. Das lag sicher unter anderem daran, dass Eva auch noch keine Kinder hatte und sich deswegen nicht bemühen musste, um sechzehn Uhr ihre Kröten irgendwo abzuholen, sondern arbeiten konnte, so lange sie wollte, um danach noch entspannt durch mehrere Clubs zu ziehen.
Klar war die Mütterfraktion unter uns da neidisch. Aber auch für Eva würde sich das Blatt wenden, da waren wir ziemlich sicher. Bis dahin hatten wir aber beschlossen, sie nicht zu mögen. Aus gutem Grund, wie sich auch heute wieder zeigen sollte.
»Kannst du mal gucken, ob der Rock aufträgt?«, fragte sie mich affektiert und wandte mir in der winzigen Küche ihre Kehrseite zu. Dann wackelte sie mit ihrem sexy Mini-Popöchen, das in einem grauen, knielangen Bleistiftrock steckte und an der Taille eng gegürtet war, vor mir hin und her. In den Rock hatte sie akkurat eine weiße Bluse gesteckt, darunter trug sie einen schwarzen BH , was aber nicht wie bei mir absolut billig und nuttig aussah, sondern hip und cool. Wie sie das machte, war ihr Geheimnis.
Ich guckte mir das Schauspiel mit dem Powackeln kurz an und brachte es nicht über mich, ihr die Wahrheit zu sagen. Nämlich dass sie natürlich wie immer phänomenal toll aussah, was daran lag, dass sie bei ihrer Größe von 1,80 m nur etwa 55 Kilo wog. Und egal, was sie anzog, immer toll aussah. Deshalb sagte ich: »O ja, Mensch, sieht toll aus! Wenn du noch ein, zwei Kilo abnimmst, passt er bestimmt perfekt!«
Eva hörte mit dem Powackeln auf, schaute mich irritiert an und zupfte etwas an ihrem Rock herum. Dann schenkte sie mir ein strahlendes Lächeln und schüttelte schwungvoll ihre blonden Locken.
»Ja, na ja, kann sein. Dafür liegen meine Haare heute wirklich supi!«
Mehr als meine Augenbrauen hochzuziehen und, ohne dass sie es sah, die Augen zu verdrehen, fiel mir dazu nicht ein. Als ich zu meinem Platz zurückging, kam ich am Spiegel vorbei und besah mich kritisch.
Dann stellte ich mir vor, Jonas würde mich so, wie ich heute aussah, kennenlernen. Nicht gerade eine schöne Vorstellung. Für meine Figur konnte ich nichts. Breite Hüften, oben schmal, das hatte sich nicht geändert, seit ich dreizehn war. Jonas mochte das ja angeblich. Nach Majas Geburt wog ich aber noch genauso viel wie zum Ende der Schwangerschaft, und mein Gewicht hatte sich jetzt, nach vier Jahren, trotz WeightWatchers und Sport irgendwo in Höhe des sechsten Monats eingependelt. Mir war es langsam egal. Ich hatte aufgehört, gegen meinen Körper anzukämpfen. Er gewann sowieso. Stattdessen betonte ich meine Vorzüge.
Ich versuchte mich jeden Morgen zu schminken, tuschte meine langen Wimpern mit drei Schichten Volume&Longlash Mascara und bestrich die hohen Wangenknochen mit dunkelrotem Rouge. Auf meine Lippen kamen ordentlich Lipliner und Gloss.
Weil ich mich heute aber, wie jeden Morgen, wenn ich Maja zum Kindergarten bringen und danach arbeiten musste, aus Zeitgründen wieder im Auto geschminkt und frisiert hatte, sah ich genauso aus wie jemand, der sich im Auto geschminkt und frisiert hatte. Angeklatschte Haare inklusive. Igitt, und ich brauchte dringend neue blonde Strähnchen, stellte ich fest. Waren das etwa graue Haare da am Ansatz? Das wurde ja immer schlimmer.
Vor dem Spiegel schwang ich meine splissigen,
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