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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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Stachelbeermarmelade. Karls Unzufriedenheit drückt auf alle. Er hofft, mit Hilfe des Schwagers Breunlin bald fortzukommen.
    Wann werden Sie ausziehen, Mamma?
    Des ischt net sicher.
    Sie werden es aber müssen.
    1798 zog sie in die Kirchstraße, wohnte zur Miete bei einem Bruder Breunlins, das war für alle, für Rike, die früh verwitwete, auch für Karl und ihn das neue Zuhause, nicht weit weg vom Schweizer Hof, und nahe dem anderen Breunlinschen Haus, in dem seine erste Liebe gewohnt hatte, das Mädchen, das ich für ihn erfand.
    Es ist gut, daß wir das Haus loshaben, sagte Johanna. So habe ich ein bißchen Geld übrig für dich, du mußt dich nicht sorgen, doch lieber wär’s mir schon, wenn du dich dem Consistorium fügtest.
    Nicht wieder das, Mamma.
    Noi, net wieder des.
    Er besucht Kraz und Klemm. Allen kommt er verstockt vor, als fiebere er dauernd.
    »Ich friere und starre in den Winter, der mich umgibt.
    So eisern mein Himmel ist, so steinern bin ich.«
    Bei Schiller entschuldigt er sich für die Flucht in einem selbstquälerischen Brief: »Ich sehe wohl, daß ich mit dem Schmerze, den ich so oft mit mir herumtrug, notwendigerweise meine stolzen Forderungen büßte; weil ich Ihnen so viel sein wollte, mußt ich mir sagen, daß ich Ihnen nichts wäre«, und sendet ihm mit einem weiteren Brief zwei Gedichte für den Musenalmanach. Schiller antwortet eineinhalb Jahre nicht, und im Musenalmanach erscheint nur eines, »An die Natur«.
    Er zieht das Unglück, die Beleidigungen an.
    Das Lauern Johannas auf eine Nachricht »wegen der neuen Position«, auf Veränderung, ihr vorwurfsvolles Schweigen, treiben ihn aus dem Haus. Er flieht in die Umgebung, holt die alten Plätze ins Gedächtnis zurück, den Weg am Neckar, die Ulrichshöhle, den Galgenberg, er sieht, gegen die Kirchmauer gelehnt, den Lateinschülern beim Spielen zu, Schelling fällt ihm ein, wie er hier alle mit seinem Hochmut gegen sich einnahm, und am anderen Morgen bricht er früh nach Tübingen auf, um den Freund zu sehen, von dem er seit langem nichts mehr gehört, dem er jedoch auch nicht geschrieben hatte.
    Du bisch e Treuloser, hätt mir der Hegel net von dir geschriebe, i könnt meine, du seischt tot.
    Vielleicht bin ich’s.
    Der Ton von einst stellt sich ein. Im Stift kennen ihn viele, er wird gegrüßt, Schelling wohnt jetzt auf der Rattensphäre, und als er auf den Gang geht, auf Schelling wartet, der für einen Repetenten rasch noch etwas zu besorgen hat, scheint es ihm, als hätte er in Waltershausen und Jena ein gutes Jahrzehnt zugebracht. Daß er hier gewesen ist, ist lange her. Noch vor einem Jahr haben sie die Zeit geteilt.
    Jetzt ist seine Zeit eine andere. Mir ist viel lieber, wir bleiben nicht hier im Stift, sagt er zu Schelling. Der ist einverstanden, er könne ihn gut verstehen, er sei auch froh, wenn er diesen gräßlichen Kerker hinter sich habe.
    Weißt du, wir gehen ins »Lamm« etwas essen, schlägt Schelling vor, und ich begleit dich dann ein Stück auf Nürtingen zu. Ich bin begierig, von Fichte zu hören.
    Hölderlin referiert, so gut es geht, Fichtes Vorlesungen, schweift jedoch immer wieder auf Alltägliches ab, wie er habe sparen müssen, um in Jena zurechtzukommen, wie selbstlos Sinclair ihm geholfen habe – so gelingt es Schelling nicht gleich, von seinen eigenen philosophischen Versuchen zu sprechen.
    Sie brechen auf.
    Wenn dir der Weg nicht zu langweilig wird?
    Wie kannst du das sagen, Hölder, ich bin glücklich, ein paar Stunden mit dir zu sein.
    Durchs Neckartal oder über den Schönbuch? fragt Hölderlin. Schelling findet den Weg am Neckar bequemer.
    Die Landschaft, die ihm gleichgültig gewesen ist, wird wieder sichtbar. Üppig und reif, die Albberge im Dunst, die Mauern der Teck und des Neuffen. Vor Neckartenzlingen baden sie im Fluß, plantschen, bespritzen sich, liegen im Gras, lassen sich von der Sonne trocknen.
    Hegel habe ich meine philosophischen Sachen geschickt, dir nicht, sagt Schelling. Ich wußte nicht einmal deine Adresse.
    Wirf mir bloß nichts vor, ich war so sehr mit dem neuen Leben beschäftigt.
    Weiber? Da fragt wieder der altkluge Junge, der die Welt zu kennen meint.
    Das nicht so sehr. Ich hatte Schwierigkeiten mit meinemZögling, und der Umgang danach mit Schiller und Fichte war anstrengend.
    Erzähl mir, wie Fichte ist.
    Ein gewaltiger Redner. Wenn er spricht, glaubt man ihm alles. Man sieht zu, wie seine Gedanken zu Sprache werden, das ist wunderbar. Im übrigen ist er ein wenig eitel

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