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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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ebenbürtige Freund: »Grausam fehlgeschlagene Bemühungen hätten mich vielleicht bestimmt, mich mit Erziehung nimmer so leicht zu beschäftigen, wenn ich nicht glaubte, daß es unerlaubt und unzweckmäßig wäre, einzig auf sich zurückzuwirken, und daß in unserer jetzigen Welt die Privaterziehung noch beinahe das einzige Asyl wäre, wohin man sich flüchten könnte mit seinen Wünschen und Bemühungen für die Bildung des Menschen. So sehr wirkten mir in meinem vorigen Verhältnisse die Menschen und die Natur entgegen.« (Als Schüler und als Student hatte er nie aufbegehrt. Höchstens die Rebellion der Gefährten unterstützt. Hier verurteilt er zum ersten Mal die Ausbildung, die er genoß, die ihn einengte, verkrüppelte, die ihm Demut anbot und Vernunft vorenthielt, die auf Gemeinsinn pochte, doch in der Strafe schrecklich vereinzelte, die ihn für die Theologie tüchtig, fürs Leben untüchtig gemacht hatte. Seine pädagogische Antwort ist einfach. In der »jetzigen Welt«, in der es noch keine Schulen gibt, die das Rousseausche Ideal wenigstens erproben, muß sich der Erzieher dem Kind in seinem privaten Bereich zuwenden, es dort, wo es zu Hause ist, zum selbständigen selbsttätigen Individuum formen): »Ich muß das Kind aus dem Zustande seines schuldlosen, aber eingeschränkten Instinkts, aus dem Zustande der Natur heraus auf den Weg führen, wo es der Kultur entgegenkömmt , ich muß seine Menschheit, sein höheres Bedürfnis erwachen lassen, um ihm dann erst die Mittel an die Hand zu geben, womit es jenes höhere Bedürfnis zu befriedigen suchen muß; ist einmal jenes höhere Bedürfnis in ihm erwacht, so kann und muß ich von ihm fordern , daß es dieses Bedürfnis ewig lebendig in sich erhalten und ewig nach seiner Befriedigung streben soll.Aber darin hat Rousseau unrecht, daß er es ruhig abwarten will, bis die Menschheit im Kinde erwacht, und indes sich größtenteils mit einer negativen Erziehung begnügt, nur die bösen Eindrücke abhält, ohne auf gute zu sinnen. Rousseau fühlte die Ungerechtigkeit derer, die das Kind, wo nicht mit dem Flammenschwerd, doch mit der Rute aus seinem Paradiese, aus dem glücklichen Zustande seiner Tierheit herausjagen wollten, und geriet, wenn ich ihn anders recht verstehe, auf das entgegengesetzte Extrem. Wenn das Kind von einer andern Welt umgeben wäre, als die gegenwärtige ist, dann möchte Rousseaus Methode besser sein.«
    Er formuliert Grundsätze einer humanistischen Erziehung, die sich einschränken muß, weil die Umgebung Widerstand übt. Doch er weiß, daß diese Umgebung nur dann aufgebrochen werden kann, wenn man die »höheren Bedürfnisse« zum Gemeingut macht. Es ist bis heute nicht soweit. Noch immer übertreffen Anstrengung und Hoffnung die Wirklichkeit, noch immer kann Rousseaus Methode eigentlich nicht »zweckmäßiger sein.«
    Wahrscheinlich hat Ebel diesen Brief den Gontards zu lesen gegeben, und das Ehepaar hat ihn besprochen. Vielleicht hat Gontard schon hier der jugendliche Überschwang gestört, vielleicht fühlte sich Susette schon hier von der Suche nach dem besseren, freidenkenden Menschen angesprochen.
    Sie ließen Hölderlin warten.
    Seine Stimmung hatte sich nicht gebessert; den großherzigen pädagogischen Entwurf hatte er gegen sie geschrieben.
    In der Stadt hatte man sich an den rastlosen Spaziergänger gewöhnt. Manchmal schloß sich ihre der eine oderandere Bekannte an; er vertrieb sie mit seinem Schweigen oder seinen Klagen.
    Er ist krank, sagte Johanna, es kann gar nicht anders sein. Sein Gemüt ist verwirrt.
    Kraz und die Großmutter Heyn redeten es ihr aus: Er sei jung, habe keine Geduld, ein solcher Wartestand sei für jeden eine Zumutung.
    Ich weiß es besser, widersprach Johanna. Des hört nimmer auf.
    Er lebt seine Unruhe aus, reist, besucht Neuffer in Stuttgart, wiederholt Vergangenes, läßt es zum beruhigenden Ritual werden, nur ist auch das schwer möglich, denn Stäudlin hat fliehen müssen, Rosine ist tot, Charlotte und Christiane wagt er nicht aufzusuchen. Er lernt bei Neuffer den Stuttgarter Kaufmann Christian Landauer kennen, unterhält sich gut mit dem aufgeschlossenen, praktischen Mann. Landauer wird zu denen gehören, die ihn später auffangen. Er wandert nach Vaihingen, zu Conz, sie legen Heraklit aus, streiten, versöhnen sich, er kommt erschöpft zu Blum, der inzwischen Amtmann geworden ist, ihn mit seiner Anmaßung anwidert, flieht zu Magenau nach Markgröningen, fühlt sich ausgekühlt, abgestorben,

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