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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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des Jünglings, lange –!«. So mag ich ihn nicht.
    Doch er schreibt, noch in den letzten Wochen des Jahres 1786, gewissermaßen die Gegenstrophen, die keine Öffentlichkeit und keine Herrscherin brauchen, Gedichte für Louise: »Es tötete die Wonne, geliebt zu sein, / Den Schwärmer.« Daß er dann, wie in Denkendorf, nicht die Weihnachtsvakanz ausnützt, sondern im Kloster bleibt, bringt ihm die Bekanntschaft mit Immanuel, die sich festigt in Briefen, in gegenseitigen Erläuterungen von Literatur. Spricht Immanuel für Wieland und dessen »Neue Amadis«, hält ihm Hölderlin Klopstock, Schubart und Schiller entgegen, oder bemüht sich, den Freund für »Ossian« zu begeistern, »den Barden ohne seinesgleichen, Homers großen Nebenbuhler«. Die Osterferien im April 1787 verbringt er endlich in Nürtingen, bei der Mutter, reist mit Bilfinger, verabredet sich mit ihm, sie sehen sichhäufig, sind »herrlich beieinander«, ich lasse sie durchs Tiefenbachtal wandern, auf die Teck, auf den Neuffen, denke mir aus, wie sie in Owen und Beuren einkehren, verbünde meine Erinnerung mit seinem Blick, »O mein Tal! Mein teckbenachbartes Tal«, bin nur nicht imstande, seinen Helden zu folgen, weil man mir, im Gegensatz zu ihm, schon in der Kindheit den Heroismus ausgetrieben hat, in meinen Phantasien trug ein Roß mich nie »zu deutscher stattlicher Fehde«.
    Die Freunde finden sich wieder, und Bilfinger vergißt seine Eifersucht auf Louise und auf Nast, den von außen Gekommenen. Die Hochstimmung aber weicht – es kann nicht anders sein, würde seinem psychischen Rhythmus widersprechen, kämen die Ängste nicht wieder, die Selbstzweifel, Ausblicke auf eine düstere, eingeengte Zukunft. Vielleicht hat Bilfinger ihn bestärkt, der Mutter klarzumachen, daß er nicht in den geistlichen Stand treten wolle. Du hasch koin Hang zum Pfarrer, Fritz, des woisch doch. Sag’s. Erklär’s.
    Aber Johanna hat dafür wenig Verständnis.
    Wozu habe sie denn alles auf sich genommen.
    Und er?
    Gedichte schreiben könne er auch als Pfarrer. Sie habe viel für ihn aufgewendet, er wisse es. Und was werde die Verwandtschaft denken? Er sei doch gut auf der Schule.
    Ja, Mamma, sagt er, aber –
    Sie hört ihm nicht zu. Er solle sich das reiflich überlegen.
    Er gibt nach, wenngleich nicht ohne Ironie eine kleinliche Zukunft aufmalend, »man kann als Dorfpfarrer der Welt so nützlich, man kann noch glücklicher sein, als wenn man, weiß nicht was? wäre.«
    Die Melancholien nehmen überhand.
    Nast und Louise können ihm nicht helfen; er läßt es auch nicht zu.
    Die gehetzten Briefe an Immanuel lassen schließen, daß er im Grunde die heftigen Stimmungswechsel genießt, eine seinem Schreiben dienliche Krankheit: »Du kannst mir glauben, Gott hat mir mein redlichs Teil Leiden beschert! ich mag keines sagen – Du möchtest meinen Brief in einer lustigen Stunde bekommen, und da würd ich mir ein Gewissen daraus machen, Dir sie zu verderben mit meinen Klagen! Ich weiß, wie sehnlich ich oft nach einem heitern Augenblick schnappe – und wie ich ihn dann so fest zu halten suche, wenn ich ihn habe, und so könnte Dirs leicht auch gehen«; er spuckt Blut, grübelt, ob er die Schule nicht, ohne die Mutter zu fragen, verlassen solle; die Zeugnisse nach dem Herbstexamen sind ein wenig schlechter als zuvor; die einmonatigen Herbstferien bis zum 20. Oktober bringt er wieder in Nürtingen zu, sich vielfältig »zerstreuend« und, wieder im Kloster, schilt er sich den »ewigen, ewigen Grillenfänger«.
    Nun, nachdem Immanuel die Verbindung zur Familie Nast geworden ist, fällt es ihm leichter, mit Louise zusammenzutreffen. Die Schwestern werden Mitwisser, erhalten gelegentlich »Briefchen«. Die Beziehung hat keine Ruhe – immer wieder fragt sich Hölderlin selbstquälerisch, ob diese große Zuneigung, die ihn verwundert, glücklich macht und verändert, von Dauer sein könne. Er selbst wirft die Schatten, dazu braucht es keinen dritten. Immanuel, bisher noch immer nicht eingeweiht, obwohl er wahrscheinlich längst aus den Scharaden, die ihm die beiden gleichsam immer wieder vorstellen, die Wahrheit hat ablesen können, Immanuel wird, ein Jahr, nachdem Hölderlin Louise im Garten des Vetters getroffen hat, inzwei redseligen Briefen unterrichtet: »Ich kam hieher – sah sie – sie mich – Beide fragten wir jedes nach dem Charakter des andern – wies oft geht – bloß aus Zufall tats vielleicht zuerst Louise … Wies da in meinem Herzen tobte – wie ich

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