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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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unser Bund erglühe / Von der Liebe göttlicher Magie. / Unbegrenzte, reine Liebe ziehe / Freundlich uns zur hohen Harmonie.« Ist das die beste aller möglichen Welten? Oder möchte er, wie später, den Menschen mit der Natur versöhnen, die sich widersprechenden Gesetzlichkeiten aufheben? Er weiß, er hat mit dieser Hymne eines seiner ersten großen Gedichte geschrieben. Stäudlin wird es in den Almanach aufnehmen. Er entdeckt Hölderlins Leitmotiv. Das ist deine Figur, sagt er, dein Traum: der »Göttin Sohn«, der Friedliche, der den großen Bund stiftet, der unvermutet aus den Hainen tritt. Die Gestalt läßt Hölderlin nicht mehr los, sie begleitet ihn, sie ist der Herr der Friedensfeier ebenso wie der freie Mensch, der Wahre, sie wandert durch den Hyperion, durch die der besseren Menschheit gewidmeten Gesänge, und sie wird zum rätselhaften Geist in den späten, kryptischen Niederschriften. Eine pietistisch-hellenische Schöpfung, ein Entwurf, wie Leibniz ihn sich wünschte.
    Mitte November 1790 wandert er mit Hegel zur Wurmlinger Kapelle. Der Weg über den Spitzberg ist ihm vertraut, vor allem die wechselnden Ausblicke, nach Süden über den Neckar auf die Alb, nach dem Nordenin die Täler und Tälchen von Jesingen und Schwärzloch. Die zu Bismarcks Ehre nach der Reichsgründung im ganzen Land gebauten Aussichtstürme hat es noch nicht gegeben, also auch nicht den Turm zwischen dem Schloß und dem Hügel, mit dem eigentümlichen Namen Buß.
    Sie hatten sich schon einige Tage zuvor verabredet. Sie wollten dem »großen Markttag« entgehen. Viele der Studenten freuten sich schon lange auf das Ereignis, stürzten sich mit Lust in den Trubel. »Ich werde«, schreibt er an Karl, »statt mich von dem Getümmel hinüber und herüber schieben zu lassen, einen Spaziergang mit Hegel, der auf meiner Stube ist, auf die Wurmlinger Kapelle machen, wo die berühmte schöne Aussicht ist.«
    Sie unterhalten sich über Freunde, besonders über Renz, den Primus, von dessen Verstand Hegel tief beeindruckt ist, von dessen geistiger Beständigkeit. (Weshalb es Renz dann nicht schafft wie einige der anderen, womöglich weniger Begabten, weshalb er zurückfällt, dieser »geniale Mann von allseitiger Kenntnis und Anlage«, wortlos auf mittleren Pfarreien darbt, ist kaum zu erklären. Sicher ist er ein Opfer dieser jeden Widerstand brechenden Erziehung. Einmal, am Ende des Studiums, hat er aufbegehrt; dann nie wieder.)
    Was mir an dem Renz gefällt, sagt Hegel, ist seine Nüchternheit. Er läßt sich von niemandem dreinreden. Er schafft.
    Hölderlin hat Renz nie übermäßig geschätzt. Und die angesprochene Nüchternheit stört ihn auch an Hegel, dieser Frost, der jeden Gedanken umschloß, der kalte Stolz.
    Ihn ärgerte es, daß Hegel sich, zum Beispiel, kaum in dieUnterhaltungen über Kant und Leibniz einließ, hartnäckig auf Rousseau beharrte und, wenn es um Dichtung ging, stets auf das Buch Hiob verwies, das er in seiner rauhen Sprache und krassen Einsicht für unüberbietbar hielt.
    Darüber traute Hölderlin sich jedoch mit dem Freund nicht zu sprechen.
    So wie Hölderlin sich für Renz nicht erwärmen konnte, hielt Hegel sich bei Neuffer zurück. Neuffer habe, so tadelte er, ein flaches Gemüt wie einen seichten Verstand. Er vermöge es, sich überall lieb Kind zu machen, nicht allzu sehr aufzufallen und sich beiseite zu halten, wenn’s hitzig wird.
    Hölderlin widersprach ihm, ein so geschilderter Mann könne mit Stäudlin nicht befreundet sein.
    Woisch, der Stäudlin merkt in sei’m Feuer gar net, wer am End für ihn oder gege ihn isch.
    Wie Kinder schoben sie bisweilen ihre Schuh durchs Laub.
    Vor Hirschau, auf der Straße, die den Neckar entlangführt, sahen sie als bunte Tupfer einen Trupp österreichischer Soldaten. Hirschau gehörte bereits zu Vorderösterreich.
    Man sagt, denen geht’s besser.
    Das ist auch nur Geschwätz. Die Österreicher üben arge Pressionen aus.
    Ob er die Schwärmerei von Conz nicht leid sei? Bald fährt dem sei Seel auf’n Olymp und kommt nimmer hoim.
    Ich weiß keinen, widerspricht Hölderlin, der sich bei den Griechen besser auskennt als Conz. Er macht sie mir anschaulich. Er ist eben selbst ein Dichter.
    Mir greift der zu hoch.
    Von schöner Aussicht kann, als sie die Kapelle erreichen, nicht die Rede sein. Inzwischen breitet sich Nebel im Tal aus. Sie machen kaum halt, kehren um.
    Mich ärgert an Conz, sagt Hegel, daß er nicht denken kann. Metaphysik ist für ihn alles. Aber die

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