Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
Vom Netzwerk:
aufhält, läßt mit der Antwort auf sich warten, schreibt erst achtzehn Tage später, sie müsse sich mit ihrem Mann noch wegen des Herrn Hölderlin besprechen und bittet Schiller, er solle Hölderlin, wenn es ihm nicht lästig sei, noch einige Male in Unterhaltungen prüfen. Ihr scheint der junge Herr nach Schillers Charakterisierung nicht ganz geheuer, sie fürchtet ein »erregtes Gemüth«.
    Hölderlin wartet ungeduldig. Seine Promotion, auf die Schnurrer und das Konsistorium gesetzt hatten, enttäuscht. In diesen letzten Wochen kommt ihm ein Gefährte näher, dem er sich nie sonderlich gewidmet, den er eben respektiert hatte als Primus, als besonders Gescheiten und Strebsamen. Nun mußte er sich vorwerfen, daß er sich in Renz getäuscht, sich allzu wenig auf ihn eingelassen hatte. Denn Karl Christoph Renz schien wie Stäudlin einer zu sein, der handelte und für seine Ideen einstand.
    Renz war zur öffentlichen Prüfung nicht erschienen. Das war ein Skandal. Die Lehrer waren außer sich, die ganze Stadt schwätzte mit. Dem Ephorus Schnurrer gelang es nicht, Renz umzustimmen. Renz beharrte darauf, aus dem Geiste Kants zu handeln, und einen Tag nach dem Examen erläuterte er in einem Brief an den Ephorus sein Verhalten: Er wolle nicht einmal den Anschein erregen, daß »kleinliche äußere Vortheile« ihn zu einer besseren Ausübung seiner Pflichten bewegen könnten. Renz will aus seiner Position als Erster keinen Nutzen ziehen, dochdie Prüfungsordnung würde es gar nicht anders gestatten. Also lehnte er kategorisch ab. Er wurde vom Herzog bestraft, mußte am Stift bleiben, weigerte sich im Frühjahr 1794 der Verlesung der neuen Statuten zuzuhören, wurde wiederum bestraft und degradiert, jedoch schon im März geprüft – und drei Jahre später kehrte er als Repetent ans Stift zurück; da waren die Studenten schon ruhiger.
    Hegel erlebte diesen Aufruhr nicht mehr. Da befand er sich schon in der Schweiz. Aber er wußte, daß Renz den Affront plante, und unterstützte ihn. Wenn überhaupt einer, könne es sich der »große Renz« leisten.
    In wenigen Tagen würden sie sich trennen müssen. Hegel war zärtlicher, leiser und weniger bestimmend als sonst. Er forderte Hölderlin auf, aus dem »Hyperion« vorzulesen, begleitete ihn zu einer Predigt, die er in Lustnau halten mußte, sagte nicht ein kritisches Wort, lobte den Freund. Sie übten sich noch einmal, spielerisch, im »griechischen Denken«.
    An dem Morgen, an dem Hegel abreiste, begleitete Hölderlin ihn nicht bis zur Poststelle, sondern sie verabschiedeten sich an der alten Aula, umarmten sich, und Hegel fragte ihn, wie abgemacht, nach der Losung, die auf immer für sie gelten sollte:
    Was ist die Losung, Fritz?
    Reich Gottes!
    Reich Gottes!
    Leb wohl. Schreib mir bald. Sag, wie dir’s geht, wie sich’s lebt.
    Und du laß mich wissen, ob die Majorin dich will.
    Ade.
    Er besteht die Prüfung mit guten Zeugnissen.
    Da taucht am Rande, für ihn noch ohne Bedeutung, einer auf, der zu dem Freund werden soll; jetzt noch nicht, jetzt zeigt er Interesse, ist angetan von Hölderlin, beobachtet ihn, ohne mit ihm ins Gespräch zu kommen. Dieser gespannte, elegante Achtzehnjährige, der eben sein Jurastudium beginnt und von dem gesagt wird, er sei der Schärfste unter den Jakobinern, spiele in dem Geheimbund der »Schwarzen Brüder« die treibende Rolle, dieser junge Mann ist Isaac von Sinclair. Seckendorf hatte Hölderlin in diese Verschwörung einbeziehen wollen. Aber dem genügte der Klub. Die absoluten Meinungen der Eiferer störten ihn.
    Die Zeit läuft, die Geschichte rennt – und die merken es nicht, wehrte Hölderlin ab. Sie wollen, um ihrer Hoffnung willen, den Augenblick festhalten. So kann ich nicht denken.
    Nicht für ihn, für Sinclair ist die Entscheidung wohl schon gefallen. Er kann Hölderlin nicht vergessen, will ihn nicht aus den Augen verlieren. So empfiehlt er ihn für eine Homburger Hauslehrerstelle, ohne nachgefragt zu haben, ob dies auch Hölderlins Wunsch sei, und erfährt dann von den Stiftlern, daß Hölderlin bei dem Major von Kalb seinen Dienst antreten werde.
    Er ist enttäuscht. Nun wird er den, mit dem er sich hatte verbünden wollen, wieder verlieren.
    So unscheinbar, so peripher tauchen Hauptfiguren auf.
    Anfang Dezember bekam Hölderlin endgültig Bescheid: Der Major von Kalb erwarte ihn als Hofmeister. Er solle seine Stelle so bald wie möglich antreten.
    Das Consistorialexamen in Stuttgart empfand er als das Ende eines Weges, den

Weitere Kostenlose Bücher