Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Sekunden, stach und riss, dann verschwand es so schnell, wie es gekommen war. Julia wartete noch, dann klopfte sie an die Tür und hörte Eriks Stimme, dass sie hereinkommen könne.
Er saß am Schreibtisch und zeichnete.
»Hallo! Das Essen ist fertig!«
Sie umarmte ihn fest.
»Was soll das? Lass mich los!«
Erik hatte helle, dicke Haare, die sich um sein Gesicht lockten. Er hatte schon immer ausgesehen wie ein Cherubim, mit seinem runden Babygesicht, obwohl er schon acht war. Sie verspürte eine große Lust, ihm über die Haare zu streicheln. Erinnerungen an das neugeborene Baby, Gisela hatte ihr gezeigt, wie man es vorsichtig hielt, wenn man es in der Babywanne badete. Sie erinnerte sich an Giselas Lächeln, wenn sie Julia lobte, weil sie Erik vorsichtig mit einem Waschlappen abrieb. Es waren immer nur sie drei, Gisela, Erik und Julia. Ein Trio, das sich zwischen Küche und Schlafzimmer bewegte, zwischen Fläschchen und Brei, Windelwechseln und Spaziergängen im Park. Carl war fast nie zu Hause, und die Klaue war noch nicht in Julias Bauch eingezogen.
Eine andere Gisela aus einer anderen Zeit. Als Julia noch Gisela gehörte.
Emma war fast zu Hause, als sie einen Schmerz im Bauch verspürte, der sie fast zusammenknicken ließ. Sie keuchte überrascht und setzte sich auf den Bürgersteig. Ein dumpfer Schmerz, der sich vom Bauch zum Rücken hin ausbreitete. Sie blieb ein paar Sekunden sitzen, bis es vorbei war, und spürte plötzlich, dass es zwischen den Beinen feucht wurde.
Vorsichtig steckte sie die Hand in die Hose und tastete mit den Fingern. Betrachtete dann fasziniert das Blut an den Fingerspitzen.
Verwirrt und vom Schmerz leicht vornübergebeugt stolperte sie nach Hause. Es fühlte sich klebrig an, als hätte sie in die Hose gemacht.
Als sie in die Küche kam, wurde sie von Annikas Gesang begrüßt.
Annika lief zu ihr und umarmte sie.
»Hallo, Schatz!«
»Mama, schau mal!«
Annika starrte die blutigen Fingerspitzen an, die sie ihr vors Gesicht hielt.
Einen kurzen Moment huschte Angst über ihre Augen.
»Was ist denn passiert?«
Emma zog erst die Hose aus, dann den Slip, man sah deutlich einen dunkelroten Fleck. Annika sah ihn auch, und ihre Angst wich einem Lächeln.
»Emma! Du bist jetzt erwachsen! Komm, ich helfe dir.«
Sie zog Emma ins Badezimmer und machte die Dusche an. Emma setzte sich in die Badewanne und ließ sich von Annika abduschen, wie sie es Tausende Male gemacht hatte, als sie noch kleiner war. Es war ein schönes Gefühl, sie steckte den Stöpsel in den Abfluss und ließ das warme Wasser in die Badewanne laufen.
Annika ging in die Küche und holte ihr Rotweinglas, dann setzte sie sich auf die Toilette neben der Badewanne und schaute ihre Tochter an.
»Meine Kleine! Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. Jetzt musst du mir aber wirklich versprechen, nicht mehr zu wachsen, sonst komme ich nicht mehr mit.«
Emma sog Luft in die Lungen, schloss die Augen und ließ den Kopf nach hinten fallen, unter die Wasseroberfläche.
Unter Wasser pochte ihr Herz, dann sah sie, wie Annika den blutigen Slip in einem Eimer mit Wasser einweichte und das Badezimmer verließ.
Sie duschte, trocknete sich ab und holte einen frischen Slip, in den sie ungeschickt die Binde legte, die Annika für sie herausgelegt hatte. Es fühlte sich merkwürdig und ungewohnt an, die Plastikränder rieben an den Schenkeln. Sie wankte breitbeinig zu Annika in die Küche, als das schrille Klingeln der Haustür zu hören war.
»Emma, kannst du aufmachen. Das sind Alex und Kattis!«
»Ja, ja, schrei nicht so.«
Emma war schon auf dem Weg zur Haustür, aus dem Augenwinkel sah sie, wie Annika den letzten Rest Rotwein austrank.
Alex hob Annika hoch, er schüttelte ihren kleinen Körper, dass sie einfach lachen musste.
»Lass sie runter, Alex.«
Kattis schlug ihm auf die Arme, lachte aber auch.
Annika kam aus der Küche und brach sofort in Tränen aus, als sie die Freunde sah. Sie hatten immer zu ihr gehalten, von dem Moment an, als Annika mit Emma schwanger wurde. Sie war den wenigen Freunden, die geblieben waren, ewig dankbar. Die sich weiterhin meldeten, sie besuchten, sie zum Essen einluden, sie zum Kino überredeten. Und die sich dann, als Emma da war, um sie kümmerten und ihr halfen, nicht zuletzt als ersehnte Babysitter oder Gesprächspartner, wenn sie es vor Sehnsucht nach erwachsener Gesellschaft beinahe nicht aushielt.
»Hallo, Kattis! Hallo, Alex.«
»Mama! Hör auf zu heulen!«
Emma konnte es nicht
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