Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
ausstehen, wenn Annika so gefühlvoll wurde, und kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
»Ach was, ich musste nur plötzlich an alte Zeiten denken und wurde sentimental.«
Sie schluchzte, und auch Kattis’ Augen wurden blank.
»Oh, Annika!«
Sie umarmten sich fest und lachten unter Tränen. Alex verdrehte die Augen und zog Emma mit sich in die Küche.
»Komm Emma, wir lassen sie alleine heulen.«
»Entschuldigt! Ich habe euch nur so lange nicht gesehen. Ich freue mich so, dass ihr da seid. Wie war es denn in Frankreich?«
»Es war wunderbar. Nächsten Sommer kommt ihr mit. Das Haus war fantastisch, es hatte sogar zwei Stockwerke, man kann da gut zu mehreren wohnen.«
»Ja, das wäre wunderbar, nicht wahr, Emma? Kommt und setzt euch. Möchtet ihr ein Glas Wein?«
Sie holte die Quiche aus dem Ofen und stellte den Salat auf den Tisch. Ihre Wangen wurden ganz warm von der Ofenhitze. Oder war es vielleicht der Rotwein?
Alex holte Teller und Gläser aus dem Schrank, und Kattis setzte sich neben Emma auf das Küchensofa. Auf den gleichen Platz wie immer. Wie oft hatten sie schon hier zusammen gegessen? Und geredet, bis spät in die Nacht, Emma schlief oft auf dem Sofa oder unter dem Tisch ein.
»Ein Prosit auf die Freundschaft!«, Annika erhob das Glas. »Ich bin so froh, dass ihr wieder da seid!«
»Ja, Prosit. Schön, dass der Sommer vorbei ist und es endlich Herbst wird!«
»Kannst du nicht bei mir übernachten, bitte?«
Sie saßen im Baum, hinter den grünen Wänden der Blätter verborgen. Der Rhabarbermann tauchte auch heute nicht auf, stellten sie enttäuscht fest. Es war schon Nachmittag und bald Zeit, zum Essen nach Hause zu gehen.
Emma runzelte die Stirn und schaute in den blauen Himmel. Ehrlich gesagt hatte sie keine Lust, den Abend und die Nacht bei Julia und ihrer Familie zu verbringen, aber es war jetzt schon das dritte Mal in dieser Woche, dass Julia sie fragte. Sie übernachteten manchmal zusammen, aber meistens bei Emma und Annika.
»Willst du nicht lieber bei uns übernachten?«
Emma schaute sie bittend an, Julia schaute zu Boden und murmelte knapp hörbar:
»Ich darf nicht, Mama hat gesagt, es reicht jetzt mit dem Übernachten.«
Emma schaute wieder in den Himmel, um Julias bittendem Blick auszuweichen.
»Bitte, bitte!«
»Okay. Aber ich muss zuerst nach Hause, die Zahnbürste holen und Annika Bescheid sagen.«
Julia strahlte übers ganze Gesicht und kletterte vom Baum.
»Du bist die beste Freundin der Welt! Komm, wir beeilen uns!«
Draußen schien immer noch die Sonne, obwohl der Nachmittag inzwischen in den frühen Abend übergegangen war, die letzte heiße Woche des Spätsommers schien sich zu halten. Die Luft über dem Asphalt vibrierte, und sogar den Wespen schien die Hitze etwas auszumachen, sie flogen wie berauscht und planlos umher.
Emma steckte Zahnbürste und Schlafanzug in eine Plastiktüte, verabschiedete sich ungern von Annika, die aus der Küche winkte. Dann machte sie sich auf den Spaziergang zur gelben Villa. Die Kopfhaut wurde feucht vom Schweiß, und je näher sie Julias Haus kam, desto trockener wurde ihr Mund. Als sie schließlich klingelte, fühlte die Zunge sich an wie Schmirgelpapier.
Gisela öffnete, sie hatte eine Falte auf der Stirn und trug Pantoletten und ein hellgrünes Kleid. Emma starrte sie an, solche »Pantoletten« kamen in ihrer Welt nicht vor, für sie gehörten sie zu Präsidentengattinnen und Königsfamilien. Der Gedanke, dass Annika zu Hause bei ihnen mit Absatzschuhen herumlaufen könnte, ließ sie breit lächeln, was wiederum Gisela verunsicherte.
»Hallo, Emma. Schön, dass du doch noch kommst, das Essen wartet, so wie meine hungrige Familie. Hat Julia dir nicht gesagt, dass wir um 18:30 essen?«
Sie hatte die ganze Zeit ein beherrschtes Lächeln im Gesicht, das so gar nicht zu ihrem gereizten Tonfall passte.
»Oh, Verzeihung! Ich habe nicht gewusst, dass ihr auf mich wartet!«
Emma zog schnell die Schuhe aus und wollte Gisela ins Esszimmer hinterherlaufen, als ihr einfiel, wie sehr Gisela darauf achtete, dass die Schuhe ordentlich standen.
Carl und Erik saßen an der einen Seite des Esstischs. Julia lächelte Emma heimlich zu, sie setzte sich ihr gegenüber, wo ein Teller für sie gedeckt war.
»Endlich bist du da! Bitte schön, greif zu!«
Carl warf ihr einen Blick zu und nahm sich dann eine große Portion Ofenkartoffeln und von dem Entrecote, das innen noch blutig war. Die Salatschüssel reichte er an Gisela weiter,
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