Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
zählte laut und sorgfältig ihr Geld.
»Hör mal, du weißt schon, dass das nur Spielgeld ist?«
Emma trat sie leicht gegen das Bein, sie lag mit einem Kissen unter dem Kopf auf dem Boden.
Julia lächelte, zählte jedoch weiter ihr Monopolygeld.
»Elftausenddreihundert, elftausendvierhundert, elftausendfünfhundert. Jawoll, elftausendfünfhundert.« Sie wedelte zufrieden mit den Scheinen und grinste.
»Pah, genug jetzt. Komm, wir machen Popcorn.«
Sie stand schnell auf, und Emma folgte ihr.
Gisela stand immer noch in der Küche und räumte auf.
Julia suchte einen Topf. Gisela beobachtete skeptisch, was ihre Tochter machte.
»Was suchst du denn?«
»Einen Topf, in dem man Popcorn machen kann …«
Gisela seufzte hörbar und legte das Küchentuch zur Seite.
»Nein jetzt nicht, das macht zu viel Schmutz.«
Julia hörte auf zu suchen und schaute ihre Mutter an.
»Mama, bitte!«
Vielleicht sah Gisela, dass Julia enttäuscht war, vielleicht sah sie ein, dass es unverständlich war, ihren Wunsch unverständlich zu finden. Sie seufzte, drückte den Wischlappen aus und stellte die Spülmaschine an.
»Okay, aber dann mach ich es. Ich kann jetzt kein Geklecker mehr brauchen, ich bin gerade fertig mit Aufräumen nach dem Essen.«
Emma schaute Gisela fasziniert an, sie wirkte immer so viel gestresster und beschäftigter als Annika. Gewiss, sie hatten ein größeres Haus und waren mehr Familienmitglieder, aber sie hatte den Verdacht, dass es mehr mit der Einstellung zu tun hatte als mit der tatsächlichen Arbeit. Annika war es nicht so wichtig, zu putzen und aufzuräumen.
»Das langweilt mich. Ein sauber geputztes Haus ist das Zeichen für ein verschwendetes Leben!«, sagte sie manchmal und streckte sich auf dem Sofa aus, obwohl sie den Flur erst halb gesaugt hatte. Gisela hingegen hatte ein gelinde gesagt leidenschaftliches Verhältnis zum Putzen. Sie schien es zu lieben, Ordnung zu machen und Sachen an ihren Platz zu stellen. Die Art, wie sie den Staubsauger über die Parkettböden des großen Hauses zog, hatte beinahe etwas Aggressives. Wie auch immer, ihre Einstellung zur Sauberkeit hatte zur Folge, dass sie immer beschäftigt war. Sie räumte und putzte, sobald sie von der Arbeit nach Hause kam, oft bis spät in die Nacht. Dieser Abend war keine Ausnahme.
Sie bekamen schließlich ihr Popcorn und gingen zufrieden wieder in Julias Zimmer. Sie legten sich auf die Matratze und stopften sich die Münder voll mit salzigem Popcorn.
Es war so salzig, dass ihre Lippen brannten, da half nur Zähneputzen. Also standen sie nebeneinander im Badezimmer vor dem Spiegel und putzten die Zähne, dass es nur so schäumte, und schnitten den Spiegelbildern Grimassen. Julia hatte das gleiche ausgewaschene Nachthemd mit rosa Schmetterlingen wie vor zwei Jahren an. Es reichte ihr bis knapp zu den Knien, die Ärmel hörten am Ellbogen auf. Emma errötete, als sie den verschlissenen Stoff sah, kleine Löcher bildeten eine eigenartige Spitze. Julia schien nichts zu merken, weder dass es zu klein noch dass es verschlissen war.
Emma legte sich auf die Matratze und schien keine richtige Lage zu finden, wie sehr sie sich auch drehte und wendete. Julia hingegen schien glücklich zu sein über Emmas Gegenwart und plapperte sorglos über Reisen, die sie machen würde, wenn sie groß war.
»Ich möchte in London wohnen. Ich werde direkt nach dem Abitur hinziehen und nie, nie mehr in dieses Scheißloch zurückkommen. Ich nehme jeden Job an, in einem Café oder Restaurant, ganz egal. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ich putzen gehe. Oder spülen. Meinst du, die brauchen Spülkräfte?«
Emma brummte nur, aber Julia scherte sich nicht um die schwache Reaktion.
»Ich meine, am Anfang wird man nehmen müssen, was man bekommt, wenn man erst mal da wohnt, kann man sich nach und nach bessere Arbeit suchen. Wir können zusammen fahren und uns eine Wohnung teilen!«
Emma drehte sich zu ihr um. Es gehörte zu Julias Lieblingsbeschäftigungen, von der Zukunft zu träumen und von allem, was sie dann machen würden. Emma verstand es nicht so recht, sieben Jahre waren ja noch eine Ewigkeit. Für sie war es schon wichtig genug, dass sie nächste Woche in der neuen Schule anfangen würden. Aber für Julia schien die Zukunft der Augenblick zu sein, wo ihr Leben anfing, richtig anfing.
Emmas Kopf wurde bald schwer vor Müdigkeit, übermannte ihren Körper und ihr Bewusstsein. Sie schloss die Augen und stellte sich Annikas Gesicht neben ihrem
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