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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Sveland
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fest.
    »Tschüs, mein Kleiner! Du wirst mir fehlen.« Und dann flüsterte sie ihm leise ins Ohr: »Und du weißt ja, wenn du etwas brauchst, kannst du immer zu uns kommen. Jederzeit! Versprich mir, dass du zu mir kommst, wenn du Hilfe brauchst!«
    Er nickte und schaute ihr ernst in die Augen. Sein Blick sagte, dass er sie verstanden hatte.
    Als sie die gelbe Villa verließen, sah sie die heruntergebrannte Sauna. Wo sie gestanden hatte, war jetzt ein schwarzer Fleck auf dem Rasen, verkohltes Holz lag verstreut in der Gegend.
    Ein Bild wahren Heldenmuts und gesetzloser Gerechtigkeit. Von der göttlichen Sorte.

Einen ganzen Tag lang trieb Julia sich in der Stadt herum. Ging in Geschäfte, schaute sich mit Kennermiene Kleider an, schüttelte bedauernd den Kopf, wenn eine Verkäuferin sie fragend anschaute. Die frühen Morgenstunden, bevor die Geschäfte aufmachten, waren am schlimmsten. Es war kälter, als sie gedacht hatte, obwohl sie eine dicke Strumpfhose und eine gefütterte Überziehhose anhatte. Auf dem Spielplatz kroch sie in ein Spielhäuschen, das schützte ein bisschen vor dem kalten Wind, der Pulverschnee und Sand mit sich trug. Aber nach einer Weile drang der scharfe Wind auch durch die Ritzen zwischen den Brettern und sie merkte, dass es keinen Sinn hatte, still zu liegen. Wenn sie den Tag überstehen wollte, musste sie sich bewegen. Sie zog die Mütze tief in die Stirn und wanderte Richtung Stadt. Auf halbem Weg überraschte sie der Hunger, es war eine unerwartete Erkenntnis, dass man Hunger bekam, wenn man auf der Flucht war. Zum Glück hatte sie noch gut in Erinnerung, wie sie im Sommer im Kiosk geklaut hatten.
    Fast als hätten sie für die echte Überlebenssituation geübt.
    Im Supermarkt am Marktplatz ging sie selbstsicher durch die Gänge und nahm sich eine Limo und zwei Zimtschnecken. In der Obstabteilung steckte sie noch eine Banane und einen Apfel in die Jackentasche. Dann ging sie zur Kasse und bezahlte ein Kaugummi für fünfzig Öre und verließ den Laden unbehelligt. Aufgemuntert durch ihren Erfolg setzte sie sich in den nächsten Hauseingang und aß ihr Diebesgut. Die Zimtschnecken schmeckten wundervoll.
    Im Ganzen verlief der Tag recht gut. Erst gegen Abend wurde sie missmutig. In einem Mietshaus richtete sie sich ganz oben vor der Speichertür ein Nachtlager, mit dem Rucksack als Kissen und der Steppjacke als Zudecke. Sie aß die Pizza, die sie sich nach einigem Hin und Her für die fünfzig Kronen, die sie noch in der Tasche gehabt hatte, gekauft hatte. Sie hörte, wie jemand die Haustür öffnete und die Treppe hochkam. Eine helle Mädchenstimme plapperte unbekümmert und erzählte vom Schneemann, den sie im Hof gebaut hatte, eine müde Erwachsenenstimme antwortete mit einem uninteressierten Brummen.
    »Mama, hier riecht es nach Pizza! Können wir nicht auch eine Pizza kaufen, bitte?«
    »Nein, mein Schatz, heute nicht, wir haben noch so viel vom Weihnachtsessen übrig, das müssen wir zuerst aufessen.«
    »Aber ich mag keine Fleischklößchen mehr! Ich will Pizza!«
    Die müde Mutterstimme blieb hart, was die Pizza anging, und schließlich verschwanden sie hinter der Tür ihrer Wohnung. Julia lauschte dem Klang der Stimmen, der immer schwächer wurde. Sie konnte sich nicht erklären, warum es plötzlich so wehtat, sie bekam richtige Krämpfe und keuchte vor Schmerzen. Irgendetwas an dem alltäglichen Gespräch erinnerte sie daran, wo sie war und warum. Sie war auch einmal ein kleines, unbekümmertes Mädchen gewesen, dessen größtes Problem es war, was es zu essen geben würde.
    Sie schlich die Treppe hinunter zu der Tür, die dem Geräusch nach zu Mutter und Kind gehörte. Familie Holmgren stand auf dem Namensschild. Die Tür schmückte eine kindliche Zeichnung, auf der vier Kopffüßler Hand in Hand auf einer Blumenwiese standen. Sie fuhr mit dem Finger über die Konturen, als würde die Bewegung das Bild der glücklichen Familie festhalten. Aus der Wohnung hörte man leise Musik, sie drang nur schwach hinaus zu ihr ins Treppenhaus. Sie meinte, das Musikstück zu kennen, aber sie wusste nicht, was es war, etwas Klassisches, Mozart vielleicht? Plötzlich nahm sie die Zeichnung von der Tür und riss sie in kleine Stücke, die sie ins Treppenhaus warf. Die Handlung erschreckte sie, und sie lief schnell wieder die Treppe hinauf, dieses Mal nicht ganz so leise.
    Da oben saß sie auf dem Boden und zog die Jacke fester um sich. Es war kalt, und als die Lampe im Treppenhaus ausging, hatte

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