Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
Kunsthochschule lernte er nun das praktische Wissen dazu. Nach seinem Abschluss leitete er lange Zeit die Repro-Abteilung. Er begann damit, mit der Reprokamera heimlich hochwertige Reproduktionen von Geldscheinen anzufertigen. Zielstrebig verfolgte er sein Vorhaben weiter. Er mietete sich in einem Gewerbegebiet eine Garage und richtete sich nach und nach eine Fälscherwerkstatt ein. Dann machte er sich Gedanken, woher er das nötige Papier bekommen konnte, fand dafür aber keine befriedigende Lösung. Er entschloss sich, es selbst in Handarbeit zu produzieren und erklärte die Papierherstellung für sich zum wichtigsten Punkt. Auf einem Flohmarkt entdeckte Ludwig Rohde ein altes französisches Bidet und kaufte es. Mit Hilfe eines Plattenspielermotors bastelte er ein Rührwerk dafür, vermengte damit, unter Zusatz von Wasser und Chemikalien, verschiedenste Papiere mit Stofffasern und Leinenresten. Er machte unzählige Versuche, änderte immer wieder die Zusammensetzung, variierte ständig den Knetvorgang, bis der Brei im getrockneten Zustand einem Papier entsprach, das er als tauglich einstufte. Er prüfte sein Ergebnis unter verschiedenen Lichtquellen. Aber seine Arbeit war trotz seiner Zufriedenheit nicht perfekt.
Was weißt denn du, Büttner, denkt er ärgerlich. Schreiberling bleib bei deinen Leisten.
Bei einer späteren Analyse im Polizeilabor stellte sich heraus, das Rohdes Papier sich von dem, welches bei der Herstellung von staatlichen Banknoten verwendet wurde, doch unterscheidet.
Im Februar 1972 war es soweit. Ludwig Rohde, damals 24 Jahre alt, gab seinen ersten gefälschten 50er für ein Geburtstagsgeschenk seiner Mutter aus.
Ich Idiot, was hat mich denn da geritten, dass dem Typen zu erzählen?
Von da an riss der Geldstrom nicht mehr ab – und zwar echtes Geld. Für seine Blüten kaufte er grundsätzlich nur Kleinigkeiten um eine hohe Summe Wechselgeld zu bekommen. Zwei Jahre klappte dieses Ganovenleben, bis die Polizei zuschlug. Bis auf die Blüten wurde bei Rohde kein Bargeld gefunden. Er schwieg hartnäckig, wo er das viele Wechselgeld versteckt hatte.
Ich bin ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Sonst würde ich heute schließlich nicht so gut leben.
Rohde war wohl schon immer ein Einzelgänger gewesen, ist es sogar im Knast geblieben. Keiner seiner Mithäftlinge war bereit mir etwas über ihn zu erzählen. In seiner Art lebte er ein fast klassisches Künstlerleben. Einsam und verkannt.
Seine genialsten Stunden verbrachte er wohl allein in seiner Fälscherwerkstatt. Dort war er besessen von seinen Fähigkeiten, dort war er der fanatische Perfektionist.
Doch mein Gespräch mit ihm zeigt mir auch: im Knast ist Rohdes Lack ab, hier nützt ihm seine Überheblichkeit und Arroganz gar nichts, hier ist er nur ein gewöhnlicher Krimineller …
Büttner, du falsche Schlange!
… der während des Interviews ungeniert mit seinen Talenten prahlt. Er will vor der Welt die Rolle des Meisterfälschers spielen. Ein Held, der die Polizei ohne Mühe an der Nase herumführen kann. Aber er ist nur ein trauriger Held, ein Mensch der seine Talente nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden der Gesellschaft eingesetzt hat. Er selbst wird das wohl nie so sehen. Zum Abschied erzählt er mir von seiner Theorie, dass gezieltes Einschleusen von neuen Geldscheinen eine positive Auswirkung auf den wirtschaftlichen Geldfluss hat. Ludwig Rohde muss noch sieben Jahre seiner Strafe im Zuchthaus absitzen.
Ein Druck auf den Augen veranlasst ihn die Augenbrauen zusammenzuziehen. Er merkt, wie er sich erregt hat. Mit einem Ruck steht er auf, greift sich an die Nasenwurzel.
Erst schmeicheln, dann verleumden, denkt er grollend. Du bist eine miese Schreibratte, Büttner. Was du vorne aufbaust, reißt du am Ende mit deinem Arsch wieder um.
So negativ hatte er den Artikel gar nicht in Erinnerung gehabt. Er greift den Ordner und schubst ihn mit Schwung seitwärts vom Tisch. Der klatscht auf den Boden, schlittert über das glatte Parkett und prallt gegen die Wand. Er läuft aufgebracht im Raum hin und her wie ein Tiger im Käfig, ist tief verletzt, fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt, wenn er nicht sofort das bekam, was er gerade haben wollte. Seine Mutter hatte ihn dann immer ›mein kleiner Häwelmann‹ genannt. Darüber wurde er dann immer noch wütender. Und jetzt ist er genauso wütend. Er findet, dass seine Leistungen in diesem Artikel heimtückisch verzerrt beschrieben wurden. Es war ihm schließlich gelungen, aus
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