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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Ab und zu schmunzelt er, dann stoppt er abrupt, als er auf einen längeren Artikel stößt. Die Überschrift lautet: ›Mit Bidet und Plattenspieler.‹
    Ach ja, denkt er. Der ist von dem Journalisten, der mich im Knast interviewt hat. Uwe Büttner hieß der, wenn ich mich nicht irre. Kein dummer Mensch. Zumindest merkte der ziemlich schnell, mit welch’ messerscharfem Verstand er es bei mir zu tun hatte.
    Er erinnert sich an die Gesprächszelle. Der Tisch zwischen ihnen. Das Ganze war für ihn nicht nur eine interessante Abwechslung gewesen, er konnte dabei mit seinem Wissen brillieren. Das war der eigentliche Grund für seine Einwilligung in das Gespräch und außerdem hatte er sich jahrelang Gedanken gemacht, welche Fehler er wohl gemacht hatte, warum man ihn überhaupt hatte erwischen können. Nachdem der Artikel erschienen war und er von der Zeitung ein Exemplar in seine Zelle zugeschickt bekommen hatte, erfuhr er dann alles schwarz auf weiß.
    Er öffnet den Bügel und nimmt die Seite mit dem Zeitungsbericht heraus, liest noch mal die Überschrift und kann nicht anders, er muss einfach den ganzen Artikel lesen.
    Er beginnt mit den Worten: Es ist ein sonniger Tag, dieser 28. Juli 1974. Eindeutig zu theatralisch, denkt er.
    In der Wilhelmstraße in Kiel stehen die Häuser dicht aneinander gedrängt. Sie sind klein, aber gepflegt. Gegenüber von Nummer 27 stehen schon geraume Zeit zwei Männer. Einer ist Hauptkommissar Peter Weinbauer, der andere Hauptkommissar Jochen Holst. Sie beobachten das Haus schon eine Weile. In Nummer 27 wohnt Ludwig Rohde – der wie sich bald herausstellen wird – wohl genialste Geldfälscher, den die norddeutsche Kriminalgeschichte bis dahin kannte. Die beiden Männer sehen sich an, gehen über die Straße zur Haustür und klingeln.
    Ach sieh an, Büttner war das mit dem ›genialsten‹, denkt er und liest weiter.
    Bis zu diesem Zeitpunkt sind zwei Jahre Ermittlungsarbeit ins Land gegangen. Innerhalb dieser zwei Jahre werden ab und zu von erfahrenen Kassierern falsche 50er-Scheine aufgespürt, die bei längerem Hinsehen leichte Abweichungen im Wasserzeichen aufweisen. Dazu kommt, dass die Ziffer 50 sechs Zehntelmillimeter zu nahe an den Rand gerutscht ist. Die Polizei tappt im Dunkeln. Alle Hinweise verlaufen im Sand. Ende Mai endlich die erste heiße Spur. In einer Filiale der Kieler Sparkasse entdeckt ein aufmerksamer Kollege unter einer UV-Lampe zwei falsche Scheine, die aus dem Kassenbestand des Tages stammen. Die Polizei wird alarmiert, die Angestellten angewiesen, jeden 50er sofort zur Überprüfung abzuliefern. Der erhöhte Aufwand lohnt sich. Eine Frau mit einem kleinen Lottoladen wird bei der Einzahlung einer Blüte gestellt. Die Polizei verhört sie, nimmt über die Namen auf den Lottoscheinen die Spur des Geldes auf. Unzählige Personenüberprüfungen folgen. Dann gerät Ludwig Rohde in das Blickfeld der Fahnder. Seine Lebensumstände sind mehr als verdächtig. Die Polizei observiert ihn rund um die Uhr. Die Falle schnappt zu. Sie beobachten, wie er im selben Lottoladen mit einer Blüte bezahlt. Bei der Hausdurchsuchung am 28. Juli 1974 werden in einem versteckten Tresor Blüten im Wert von 20.000 DM gefunden.
    Das Geld war perfekt gemacht. Die Bullen hatten nur verdammtes Schwein. Blöderweise findet jedes blinde Huhn mal ein Korn, selbst diese schielende Zicke aus dem Lottoladen. Wenn die den Schein nicht so schräg von der Seite angeglotzt hätte, nie hätten die mich gekriegt.
    Als ich Ludwig Rohde im Gefängnis gegenübersitze wirkt er, selbst nach acht Jahren Haft, nicht wie jemand, der sich seiner Taten schämt. Ganz im Gegenteil, er spricht eher schwärmerisch über den, wie er wörtlich sagt, grandiosen Werdegang zum Meisterfälscher. Schon in früher Kindheit hat er sein zeichnerisches Talent für kleine Betrügereien eingesetzt, sagt er hintersinnig. Er konnte zum Beispiel die Unterschrift seines Vaters so hervorragend fälschen, dass seine Lehrer nie Verdacht schöpften.
    Das ›hintersinnig‹ hättest du dir sparen können, mein lieber Büttner.
    Auch berichtet er davon, wie er in stundenlanger Handarbeit mit einfachen Zeichenstiften Geldscheine kopierte. Ein dummer Jungenstreich? Nein!
    Doch!!
    Rohde schlitterte unaufhaltsam in seine Gaunerkarriere. Bevor er eine Künstlerlaufbahn einschlug, sich an der Kunsthochschule in Kiel einschrieb, verfügte er bereits über umfangreiches theoretisches Wissen in Sachen Geldfälscherei. Im Druckbereich der

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