Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
zwei weiteren Morde wurden ebenfalls mit dieser Waffe begangen. In Peters Garage finden sich die gestohlenen Kupferstiche, die in der Mordnacht im Storm-Museum verschwanden. Was willst du noch mehr Jan?«
»Woher weißt du, dass Peters Selbstmord begangen hat?«
»Eins und eins macht zwei, Jan! Peters liegt mausetot hinter seinem Verkaufstresen. Die Tür war zu, ihr musstet sie aufbrechen. Wer soll ihn da erschossen haben?«
»Die Eingangstür hat einen Kugelknauf. Vielleicht hat ihn jemand erschossen, die Tür von außen zugeschlagen und fertig«, sprang Silvia Haman Swensen unerwartet zur Seite.
»Und warum sollte sich Peters Handschuhe anziehen, um sich zu erschießen?«, legte dieser nach.
Püchel biss genervt auf die Unterlippe.
»Der hatte Feierabend!«, verteidigte der sich. »Es war kalt. Er zieht Parka und Handschuhe an und merkt plötzlich, dass er die Schuld nicht mehr aushält.«
»Er schreibt also einen Abschiedsbrief, zieht sich warm an und erschießt sich?«
»Menschen treffen die merkwürdigsten Entscheidungen! Er schrieb auf dem Zettel ja auch, er hält das GANZE nicht mehr aus. Das deutet auf mehr hin, als nur auf Edda Herbst.«
»Meinst du die geklauten Kupferstiche?«
»Zum Beispiel! Das spricht dafür, dass Peters auch Kargel ermordet hat?“
»Und das Motiv?«
»Er wollte die Bilder klauen, zerschlägt ein Fenster im Hof, steigt ein und …«
Püchel kniff die Augen zusammen, grübelte und wusste nicht mehr weiter.
»Ich wette mit dir, an den Bildern finden sich keine Fingerabdrücke!«, sagte Swensen gelassen.
»Was willst du damit sagen, Jan!«, brauste Püchel auf.
»Wie habt ihr die Bilder vorgefunden?«, wendete sich Swensen an Mielke und Jacobsen.
»Wie vorgefunden? Die standen normal in einer Ecke rum«, erwiderte Mielke und Jacobsen nickte dazu.
»Sie waren nicht verpackt?«, fragte Swensen.
Die beiden schüttelten den Kopf.
»Gab es sonst noch was Auffälliges? War die Tür verschlossen?«
»Das Fenster war kaputt, dürfte aber schon länger in diesem Zustand gewesen sein.«
»Jan, worauf willst du hinaus?«, unterbrach Püchel.
»Ich denke laut darüber nach, welchen Grund es geben sollte, dass Peters Kargel oder Poth erschießt!«
»Da wird sich schon noch was finden«, zischte Püchel. »Das finden wir raus.«
Ja, mein Lieber, denkt Swensen als ihm Püchels Rechtfertigungsversuche wieder in den Ohren klingen. Das Gutachten spricht vorläufig eine andere Sprache.
Er überlegt, ob er aufstehen soll um Püchel die Ergebnisse auf den Schreibtisch zu knallen. Verwirft den Impuls aber gleich wieder, um die aufgekeimte Versöhnung nicht zu gefährden und brütet vor sich hin.
Wenn es kein Selbstmord war, denkt er, wer hat Peters dann erschossen?
Swensen merkt, dass die Frage genauso in eine Sackgasse voller Ungereimtheiten führt, wie die Widersprüche, die sich bei einem Selbstmord von Peters ergeben. Was hatten sie in der Hand? Der Bleistift war zum Beispiel in der Schublade des Verkaufstresens gefunden worden. Selbst wenn keine Fingerabdrücke daran festgestellt werden können, gibt es sofort die Erklärung, dass die Abschiedszeile mit dem Handschuh geschrieben wurde.
Es klopft an die Tür und auf Swensens »Herein« tritt Silvia Haman ein.
»Der Sektionsbericht legt sich vorläufig auf Suizid fest!«, sagt Swensen, als wenn es das ist, was seine Kollegin gerade wissen will. »Wie man es dreht und wendet, Mord oder Selbstmord, es bleiben Fragen offen.«
»Ich hab in einer Studie der Gesellschaft für Rechtsmedizin gelesen, dass bei 38 rechtsmedizinischen Instituten Fehlleistungen bei der Obduktion nachgewiesen wurden«, sagt Silvia Haman. »Zirka 18.000 nicht natürliche Todesfälle werden jährlich in Deutschland bei der ersten Sektion übersehen. Das steht ein wenig im Gegensatz zu unserer angeblichen Erfolgsrate von 94,5 % bei Mord und Totschlag, oder?«
»Das hätte ich jetzt nicht gedacht!«
»Viele Ärzte sollen am Seziertisch heillos überfordert sein. Keine Erfahrungen mit Toten, oberflächliche Untersuchungen, Hemmungen in Gegenwart der Angehörigen. Da kann locker ein Mord mit einem Selbstmord verwechselt werden.«
»Das mag ja sein«, unterbricht Swensen, »aber in unserem Fall trifft das bestimmt nicht zu. Riemschneider ist eine anerkannte Kapazität.«
»Ich hab dir heute Morgen in der Besprechung bereits an deinem Gesicht angesehen, dass du am Selbstmord von Peters zweifelst.«
»Zumindest ist das kein normaler Selbstmord,
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