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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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oder?«
    »Da geb ich dir recht!«
    Swensen denkt nach.
    »Sag’ mal, was wolltest du überhaupt?«, fragt er plötzlich.
    »Ich hab nachgeforscht, wer sich um Peters Nachlass kümmert, irgendwelche Erben und so. Also, seine Eltern sind tot, früh gestorben, sind beide Alkoholiker gewesen. Er hat einen jüngeren Bruder, der aber nicht zu ermitteln ist. Er muss vor zirka 15 Jahren nach Australien ausgewandert sein. Ich hab keine Anschrift gefunden, keine Briefe, keinen Hinweis auf irgendeinen Kontakt. In einem gefundenen Adressbuch gibt es keine Namen, die auf Verwandtschaft hindeuten. Den Rest müssen wir langsam abarbeiten. Es gibt noch etwas Bemerkenswertes; Hollmanns Truppe hat im Schrank von Peters Wohnzimmer einen Beratervertrag gefunden.«
    »Einen Beratervertrag?«
    Silvia zieht ein maschinengeschriebenes Blatt Papier aus der Mappe, die sie schon die ganze Zeit in der linken Hand hält.
    »Ja, in Bezug auf das Storm-Manuskript gibt es einen Beratungsvertrag zwischen Peters und einem gewissen Ruppert Wraage. Das ist ein …«
    »… Ich weiß, wer das ist!«, fällt Swensen ihr ins Wort.
    »Du kennst den?«
    »Nicht persönlich. Ich war auf einem Storm-Symposium, auf dem dieser Herr aufgetreten ist.«
    Swensen versucht sich die Veranstaltung wieder vor Augen zu führen, ein Bild von Wraage zu bekommen. Er sieht ihn aber nur schemenhaft am Podium stehen, eine robuste Gestalt, elegant gekleidet, etwas älter als er selbst.
    »Und von dem Vertrag wusste ich auch schon!«
    »Du wusstest davon?«
    »Ja, von Bigdowski, dem Chefredakteur der ›Husumer Rundschau‹, aber ich hab keine Ahnung was drinsteht.«
    »Der Vertrag beinhaltet hauptsächlich, wie die Vermarktung des gefundenen Storm-Manuskripts geregelt werden soll. Von allen Kontakten, die Wraage einfädelt, stehen ihm 48 % der Einnahmen zu. Und dann noch das hier«, Silvia schiebt ihm das Blatt über den Schreibtisch und deutet mit dem Finger auf den unteren Teil. »Im Kleingedruckten gibt es einen Passus, wo beim Tod eines der Vertragspartner die bis dahin erzielten Einnahmen dem jeweils anderen Vertragspartner zufallen. Und der übernimmt dann auch die Rechte an der weiteren Vermarktung.«
    Swensen hält den Vertrag unter seine Schreibtischlampe und liest das Kleingedruckte.
    »Wenn ich das so lese, ist dieser Wraage anscheinend ein richtiges Schlitzohr. Bigdowski hat bei seinem Verhör schon so was angedeutet. Schätze, der hat Peters seinerzeit ganz schön über den Tisch gezogen. Wenn es sich allerdings erhärten sollte, dass Peters den Roman von Edda Herbst geklaut hat, dürfte der schöne Vertrag sowieso hinfällig sein.«
    »Wie kommst du da drauf, Jan?«
    »Wir haben die Fingerabdrücke von Edda Herbst auf dem Manuskript gefunden. Sie hat es zweifelsfrei in der Hand gehabt.«
    »Das sagt gar nichts, Jan. Peters kann es ihr auch vorher gezeigt haben. Sie hat bei ihm gearbeitet.«
    »Und das glaubst du wirklich, Silvia?«
    »Ehrlich gesagt, nein! Wir können keinen mehr fragen. Es wird schwer sein, das Gegenteil zu beweisen. Es sei denn, jemand hat was gesehen.«
    »Ich fürchte du hast recht. Wir sollten uns die Kunden der Videothek vornehmen, es könnte wirklich sein, dass jemand etwas mitgekriegt hat.«
     
    * * *
     
    Kinderschänder gefasst? Die Schlagzeile schreit am Morgen von allen Titelblättern.
    Swensen hatte die Nachricht schon am gestrigen Abend in den Tagesthemen gesehen, die Pressekonferenz nach der Festnahme und das präsentierte Foto vom mutmaßlichen Täter. Endlich hat das Phantom ein Gesicht, hatte er gedacht.
    In diesem Moment haben die Tageszeitungen das Foto schon bis in die kleinsten Winkel Deutschlands transportiert. Swensen bleibt stehen. Die schwarzen Blockbuchstaben kann man aus fünf Meter Entfernung lesen. Er geht zum Zeitungsständer, nimmt die ›Husumer‹, bezahlt und setzt seinen Weg fort. Vor dem Kaufhaus lungert eine Schar Jugendlicher herum, einige mit Pommes-Tüten. Etwas abseits dahinter hockt eine ausgemergelte Gestalt in ärmlichen Klamotten auf dem nackten Bordstein, den Blick devot nach unten gerichtet. Swensen wird schon kalt vom Hinsehen. Er kramt ein Markstück aus seinem Portemonnaie und legt es ihm in seine Wollmütze, die vor seinen Füßen liegt.
    Die sollte er lieber aufsetzen, denkt er im Weitergehen.
    Der Mann stammt eindeutig aus einem der Ostländer, Polen vielleicht oder Litauen. Das gibt es in Husum erst, seit dem der Warschauer Pakt zusammengebrochen ist. Verrückt! Die kurven über hunderte

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