Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
und habe eine Waffe gehalten. Aus dieser vermutlichen Tatwaffe ist nur ein Schuss gefeuert worden. Das rechte Ohr sei verbrannt und blutig gewesen und es sei nur ein Einschusskanal festgestellt worden. Diese, uns aus den Ermittlungsakten bekannt gewordenen Daten, werden zum Ausgangspunkt der Untersuchung gemacht.
Äußere Besichtigung
Auf dem Sektionstisch liegt die Leiche des bekannten, 167 cm langen, 68,9 kg schweren, 41jährigen Mannes. Körperbau massiv, füllig. Ernährungszustand, sehr gut genährt.
Swensen legt das Blatt gelangweilt auf seinen Schreibtisch und wartet ungeduldig auf die restlichen Blätter. Endlich gleitet das Letzte in die Ablage. Er nimmt sie heraus, blättert sie alle hastig durch und greift nach dem Blatt mit der Beschreibung der Kopfwunde.
Innere Besichtigung
Kopfhöhle:
Die Kopfschwarte wird in üblicher Weise abpräpariert. Die rechten Schläfenlappen weisen zahlreiche, punktförmige, z.T. ineinanderfließende, schwarzrote Verfärbungen auf. In den Hirnkammern findet sich blutige Flüssigkeit. Der Kopfschwarte entströmt ein auffällig aromatischer Geruch.
Medizinerkauderwelsch, denkt Swensen und blättert bis nach hinten durch.
Vorläufiges Gutachten
Bei der Sektion fanden sich Verletzungen wie nach Schusswaffeneinwirkung:
Im Bereich des rechten Ohres findet sich eine kreisrunde Stanzmarke. Die Maße stimmen mit den Abmessungen der von der Polizei als mögliche Tatwaffe vorgelegten Pistole überein. Anhand der Rußpartikelablagerung auf der Haut, wird der Vorgang wie folgt erklärt: Der Mann hat die Waffe an sein rechtes Ohr gesetzt und abgefeuert. Das Projektil ist durch den äußeren Gehörgang eingetreten, hat eine Fraktur der Schädelbasis erzeugt, durchschlägt den Schädelknochen und bleibt auf der linken Seite der Calvaria im Schläfenlappen der Hirnrinde stecken. Das deformierte Projektil wurde entfernt und wird einer weiteren polizeilichen Ermittlung zugeführt. An Körper und Kleidung konnte keine Fremdeinwirkung festgestellt werden.
Im Prinzip kann man auch ohne den Bericht leben, denkt Swensen, legt die Papiere auf den Schreibtisch und nimmt auf dem Stuhl Platz. Das Wesentliche wurde schon alles heute Morgen zwischen Tür und Angel besprochen.
Er guckt auf den Bericht, wippt unentschlossen mit dem Bürostuhl nach hinten. Aufgewühlt versucht er die veränderte Situation zu begreifen. Statt einer Verhaftung muss er sich nun mit dem Selbstmord auseinandersetzen. Irgendetwas in ihm sträubt sich jedoch vehement dagegen. In der Morgenbesprechung waren alle wie ausgewechselt gewesen, besonders Püchel hatte ausgelassen über beide Ohren gegrinst.
»Das war Ermittlung vom Feinsten, Jan, Hut ab!« hatte er die Runde eröffnet. »Ich wusste doch immer schon, du bist unser Bester. Das soll unter keinen Umständen die Arbeit aller anderen schmälern. Meinen Glückwunsch an alle hier. Die Husumer Kripo steht in der Öffentlichkeit da wie eine Eins!«
Silvia Haman hing geschafft vom Vortag auf ihrem Stuhl. Jacobsen dagegen saß aufrecht, als wenn er gleich einen Orden erhalten würde. Selbst Mielke strahlte mit dem Chef um die Wette. Der ruderte theatralisch mit den Armen.
»Ich bin stolz auf euch! Wir haben einen gefährlichen Killer aufgespürt, der für sich keinen Ausweg mehr sah. Grund genug, Kollegen, uns nach Feierabend zu einem kleinen Umtrunk zu treffen!«
»Könnte es nicht sein, dass dein Enthusiasmus etwas verfrüht ist?«, so der Gelobte.
Du bist nachtragend, mein Lieber – Bin ich nicht!
»Kannst du deinen Erfolg nicht einfach genießen? Oder trägst du mir etwa meine etwas schärferen Worte noch nach?«
»Quatsch!« Genau!
»Wenn das so ist, entschuldige ich mich persönlich bei dir, Jan. So was kommt in den besten Familien vor. Nichts für ungut!«
»Darum geht es doch gar nicht.“
Doch, genau darum geht es, lieber Jan. »Ich finde, wir sollten lieber erst die Untersuchungsergebnisse abwarten, bevor wir ins Schwärmen geraten.«
Die Kollegen guckten pikiert vor sich auf die Tischplatte. Püchel stöhnte hörbar auf.
»Fakt ist«, ereiferte er sich, »Peters entdeckt ein altes Manuskript, auf dem sich die Fingerabdrücke von Edda Herbst befinden. Peters hat einen Jeep, mit dem ihre Leiche höchstwahrscheinlich ins Watt transportiert wurde. Hollmann und sein Team untersuchen die Karre gerade. Was dabei rauskommt, weiß ich jetzt schon. Fakt ist auch, dass Peters für seinen Selbstmord eine Walther 7,65 mm benutzt hat. Die
Weitere Kostenlose Bücher