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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Nachrichtensprecherin das Phantombild des Kindermörders. Darunter der Text: Selbstmord in der Zelle.
    »Moment mal Anna, da ist etwas im Fernsehen!«, sagt er und fährt den Ton hoch.
    »Dierk Schröder, der Mörder der zwölfjährigen Janina Eggers aus Wees, hat sich heute Abend in der Flensburger Strafvollzugsanstalt in seiner Zelle erhängt. Die Kriminalpolizei hat eine Untersuchung angeordnet.«
    »Hast du gehört?«, sagt Swensen ins Telefon.
    »Hab ich schon in den Zwanzig-Uhr-Nachrichten gehört!«
    »Ich glaub es nicht. Da lösen die Flensburger den Fall nicht nur am selben Tag wie wir, jetzt begeht auch ihr Täter noch Selbstmord!«
     
    * * *
     
    Es ist Samstag, der 16. Dezember. In der Nacht hat es geschneit. Feiner Pulverschnee überzieht Bürgersteig und Straße vor seiner Wohnungstür. Er glitzert im Licht der Straßenlampen.
    Swensen war um fünf Uhr aufgewacht, hatte geduscht, meditiert und sich gleich angezogen.
    Jetzt drückt er die ersten Fußspuren in die Schneedecke. Der Himmel ist pechschwarz, ohne Sterne.
    Vorgestern war er in ein schwarzes Loch gefallen, hatte den Donnerstag und Freitag in der Inspektion mehr schlecht als recht mit Routinearbeit überstanden.
    In der klaren Luft sind die vergangenen Tage wie weggeblasen. Er fühlt sich wieder voller Energie. Nach langer Zeit hat er wieder ein freies Wochenende.
    Die Frontscheibe seines Polos ist bis obenhin zugefroren. Swensen holt den Kratzer heraus und versucht in die Eisschicht ein Loch zu schaben. Schnell werden ihm die Finger klamm und er gibt auf. Er setzt sich hinters Steuer, startet den Motor und wartet, bis die warme Luft das Eis in Wasser verwandelt hat. Dann macht er einen kurzen Umweg zum Bäcker, kauft eine Tüte voll mit ofenfrischen ›Goldjungen‹ und fährt weiter in Richtung Witzwort. Als er an der Stadtgrenze die Bundesstraße erreicht, ist sie schon geräumt. Er fährt trotzdem nicht schneller, genießt es allein unterwegs zu sein. Ich sollte endlich den Kotflügel ausbeulen lassen, denkt er und schaltet auf Fernlicht um, der eine diffuse Lichtschneise zwischen die Chausseebäume schlägt. Die Nacht rast hinterher, hüllt seine Seitenscheiben in Schwarz und gibt seiner Fahrt etwas Unwirkliches. Es ist wie das Schweben durch einen Horrorfilm, in dem man in jedem Moment damit rechnen kann, dass sich der Fuß eines Riesen von oben mitten auf die Fahrbahn senkt. Beinahe überfährt Swensen die Abzweigung nach Witzwort. Als er vor Annas Haus anhält, sind noch alle Fenster dunkel. Er zögert einen Moment, steigt dann aber doch aus. Als er nach dem Klingeln zurückblickt, kann er seine Fußspuren bis zu seinem Auto verfolgen. Ein Blick auf die Uhr sagt ihm, dass es 8:13 Uhr ist. Wohl etwas früh, denkt er. Plötzlich ist ihm, als ob jemand hinter der Tür steht und ihn durch den Spion mustert. Anna ist zu h ause, denkt er, während gleichzeitig ihr verschlafenes Gesicht durch den Türspalt lugt.
    »Guten Morgen, Lust auf Frühstück?«
    »Jan, was machst du hier, mitten in der Nacht?«
    »Der Tag ist bald um, Geliebte!«, scherzt Swensen mit schmachtender Stimme. Lächelnd schiebt er sich an ihr vorbei in den Hausflur. Sie folgt ihm und schlingt ihre Arme von hinten um seinen Hals. Er dreht sich in ihrer Umklammerung. Aus einem Zimmer fällt Licht, wirft Annas langen Schatten an die Wand. Der Gürtel ihres Bademantels ist aufgegangen und ihre Brüste liegen frei. Er küsst ihren Hals, spürt die Adern ihrer Kehle klopfen. Sie packt seinen Mantel am Kragen, zerrt in über die Schulter, so dass er die Brötchentüte fallen lassen muss. Mit heftigen Küssen drängt sie Swensen langsam rückwärts in Richtung Schlafzimmer, öffnet dabei die Knöpfe seines Hemdes. An der Tür fallen Hose und Unterhose. Im Bett beugt er sich über Anna und drückt sie sanft auf den Rücken. Sie versinken im Rhythmus ihrer Körper. Ihr offener Mund erregt ihn. Er glüht, stößt mit dem Becken, sucht ihren Mund, ihre Zunge, den Druck ihrer Zähne. Dann ist er allein, ein Blitz zuckt von der Scham hinauf zum Kopf. Er sieht Annas Augen, die graublaue Sonne. Die Welt steht still.
    Als er erwacht, hört er wie der Song ›Overdose of you‹ von Slim Man spielt, unterlegt mit Annas Gesang, die bei ihrer Begleitstimme nicht immer den richtigen Ton findet. Geschirr klappert. Es riecht nach Kaffee und aufgebackenen Brötchen. Swensen steht auf und duscht ein zweites Mal. Durch das Küchenfenster flimmern warme Sonnenstreifen schräg auf den Esstisch, die von

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