Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
Vom Netzwerk:
darauf?«, gibt Anna die Frage zurück.
    »Ich denk’ schon mehrere Tage darüber nach. Du hast Peters doch auf dem Empfang der ›Husumer Rundschau‹ gesehen.«
    »Eben, ich hab ihn gesehen, und zwar aus einiger Entfernung.«
    »Du bist Psychologin, oder?«
    »Aber keine Hellseherin. Meinst du einem Selbstmörder sieht man seine Gedanken von außen an?«
    »Ich dachte, es gibt vielleicht Anhaltspunkte oder Verhaltensweisen, die darauf schließen lassen?«
    »Gibt es auch!«
    »Und?«
    »Zum Beispiel erzählen Selbstmörder ihren Mitmenschen häufig von der Absicht, sich das Leben zu nehmen. Sie sprechen in solchen Fällen nicht selten davon, sich erdrückt und überwältigt zu fühlen oder sie erleben ihre Person als klein und nichtig, ohnmächtig, hilflos. Aber du siehst, das sind sehr allgemeine Feststellungen. Bei Hajo Peters liegen immerhin triftige Gründe vor. Er hat Menschen ermordet.«
    »Bis jetzt wissen wir nur, dass er Edda Herbst ermordet hat.«
    »Das reicht doch! Der Mord kann bei ihm schwere Schuldgefühle ausgelöst haben.«
    »Deswegen frage ich dich ja. Auf dem Empfang musste er sich doch schon mit der Ermordung von Edda Herbst herumgeschlagen haben.«
    »Stimmt! Aber mir ist trotzdem nichts an ihm aufgefallen.«
    »Püchel meint, es könnte eine Impulshandlung gewesen sein. Peters hat seinen Suizid ganz spontan entschieden. Er geht sozusagen normal zur Arbeit, macht Feierabend, zieht sich an und erschießt sich.«
    »Nun, alles ist möglich. Wer weiß schon genau, wer was warum entscheidet. Ich glaube aber eher nicht an eine Impulshandlung. Die allermeisten Selbstmörder entscheiden sich nicht eindeutig oder endgültig. Bis zu 80 % der Suizidanten, die man noch lebend in eine Klinik schaffen kann, korrigieren ihre Tötungsabsicht in weniger als zwei Tagen. In weniger als zehn Tagen sogar fast alle. Wer sich mit einer Waffe erschießt, muss sich ziemlich sicher sein, dass er sich tatsächlich töten will.«
    »Ich hab nach wie vor ein ungutes Gefühl. Die Untersuchungsergebnisse von Peters’ Kleidung stehen noch aus. Vielleicht kommt da noch was bei raus.«
    »Jan, du hast dienstfrei! Du solltest einfach mal zwei Tage an nichts denken.«
    »Da hast du recht«, bestätigt Swensen und grinst Anna an, »das sagte schließlich Buddha auch immer!«
    Mittlerweile hat sich schon eine größere Menschentraube vor Wilhelms Eingangstür gebildet. 14:04 Uhr. Die Tür wird aufgeschlossen, die Leute schieben sich ins Innere.
    »Sag’ mal Anna, ich hab noch eine Frage«, sagt Swensen als er in den Flur tritt. »Warum haben die Schafe rote Streifen auf dem Hintern?«
    Anna sieht ihn entgeistert an. Da kommt Wilhelm von der Seite.
    »Na, wo kommt ihr denn her?«
    »Aus Husum!«, sagt Swensen.
    »Und was machst du?«
    »Ich bin bei der Kripo!«
    »Und dann weißt du nicht, warum Schafe rote Hintern haben?«
    »Nein!«
    »Ja, ja, so sind sie, die Kriminaler aus der Großstadt. Rote Hintern bedeuten: wir sind geimpft. Bitte nicht noch einmal piksen.«
     

     

Zitat
     
     
    »Leuchte, alter Mond, leuchte!« schrie der kleine Häwelmann; aber der Mond war nirgends zu sehen und auch die Sterne nicht; sie waren schon alle zu Bett gegangen. Da fürchtete der kleine Häwelmann sich sehr, dass er so allein im Himmel sei. Er nahm seine Hemdzipfelchen in die Hände und blies die Backen auf; aber er wusste weder aus noch ein, er fuhr hin und her, kreuz und quer, und niemand sah ihn fahren, weder die Menschen noch die Tiere, noch auch die Sterne. Da guckte endlich unten, ganz unten am Himmelsrande ein rundes rotes Gesicht zu ihm herauf. Da meinte der kleine Häwelmann, der Mond sei wieder aufgegangen. »Leuchte, alter Mond, leuchte!« rief er, und dann blies er wieder die Backen auf, und fuhr quer durch den ganzen Himmel und grade darauf los. Es war aber die Sonne, die eben aus dem Meere herauf kam. »Junge«, rief sie und sah ihm mit ihren glühenden Augen ins Gesicht, »was machst du hier in meinem Himmel!« Und eins, zwei, drei! nahm sie den kleinen Häwelmann und warf ihn mitten in das große Wasser.
     
    Theodor Storm: Der kleine Häwelmann

12
    Swensen fühlt sich unglaublich leicht und klar. Der Druck auf den Schläfen verschwindet. Seine Verspannung im Nacken ist plötzlich wie weggeblasen. Er sitzt zentriert in seinem Körper. Der Atem kommt und geht, kühle Luft streift über den Nasenflügel, strömt durch die Nasenhöhle ein und angewärmt wieder aus. Vor seinem inneren Auge öffnet sich ein tiefer Raum voll

Weitere Kostenlose Bücher