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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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erschrocken zusammengezuckt. Die kleine Gipsschiene, die über dem Nasenrücken angebracht war, gab ihm das Aussehen eines Boxers, dem der Gegner das Nasenbein eingeschlagen hatte. Man hatte ihn vorgewarnt, eine Nasenkorrektur sei eine blutige Angelegenheit, die nicht ohne Schmerzen zu haben war. Doch er wollte sich endlich sicher fühlen. Nachdem die Schwellungen der OP abgeklungen waren, fühlte er sich wie ein neuer Mensch. Die Sache hatte zwar eine schöne Stange Geld gekostet, aber das war es ihm wert gewesen. Nachdem er realisiert hatte, dass die vergrabenen Aktien während der Knastjahre ein kleines Vermögen erzielt hatten, spielte Geld für ihn keine Rolle mehr. Er hatte den überteuerten Preis anstandslos akzeptiert. Der Arzt stellte daraufhin keine dummen Fragen. Mit Sicherheit wusste er, worum es ging. Mit dem neuen Gesicht verließ er Hamburg in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Klemens hatte ihn nach der OP nicht mehr zu Gesicht bekommen und wusste bis heute nicht, wie er aussah und wo er steckte.
    Er zog nach Husum. Hier wollte er endlich das Theodor- Storm-Projekt angehen, das er sich über Jahre im Knast ausgedacht hatte. Seine Mutter war in der Zwischenzeit gestorben, aber in ihm lebte er noch, der kleine Häwelmann. Die Zeit war gekommen um triumphal über den Himmel zu fahren. Einmal sollten ihm alle Sterne zujubeln. Er hatte nicht genug, er wollte mehr. Und hier in Husum, direkt vor Ort, sollte es ihm auch gelingen, dafür war sein Plan einfach zu genial. Er vertraute seinem goldenen Händchen. Er wusste, was er anpackte, würde zu Gold werden. Mit kleinen Deals an der Börse lebte er mittlerweile nicht schlecht. Das hielt ihm den Rücken frei, er konnte sich Zeit lassen, so viel er wollte.
    »Es ist zwar richtig: Storms Zuneigung zu seiner schleswig-holsteinischen Heimat war zugleich die Idealisierung einer kleinen Welt, das Abbild idyllisch-patriarchaler Zuständigkeit am Rande des großen Zeitgeschehens. Doch, obwohl er dazu neigte seine Anschauung für die Norm und das Maß aller Dinge zu halten, ist er nie zum bloßen Heimatdichter verkommen. Er bewahrte sich stets einen wachen Sinn für die realen Dinge des Lebens.«
    Mit Menschen konnte er umgehen, er wusste genau wie man ankam, war redegewandt, setzte seinen Charme gezielt ein. Deshalb war es auch kein Problem gewesen, in den engeren Kreis der Storm-Gesellschaft einzudringen. Nebenbei arbeitete er sich in sein Projekt ein. Er fand heraus, wie man aus einer normalen Tinte mit Kaminruß und Eisenstaub alte Tinte machte, so dass sie beim Schreiben gelblich auf das Papier abfärbte. Altes Papier hatte er schon während seiner Zeit in Hamburg auf einer Auktion ersteigert. Jetzt übertrug er sein Roman-Manuskript, das er sich im Knast ausgedacht hatte, mit seiner trainierten Storm-Handschrift auf die alten Blätter, Seite für Seite. Seine Idee war verwegen, aber genial. Einerseits vertrat er in der Öffentlichkeit immer mehr seine Meinung, dass er bei seinen Nachforschungen auf die Existenz eines verschollenen Romans von Storm gestoßen war, anderseits arbeitete er daran, dass dieser Roman auch wirklich entdeckt werden konnte. Und dann übertraf er sich selbst. Eines Nachts wachte er auf und hatte die Lösung. In einem Gespräch hatte er von einer gewissen Edda Herbst gehört, die entfernt mit Storm verwandt sein sollte. Eine ideale Ausgangsbasis. Er richtete sich ein zweites Handy ein, entwarf das Flugblatt einer Entrümpelungsfirma und warf den Zettel in Edda Herbsts Briefkasten. Eine Woche später klingelte er mit blonder Perücke, angeklebtem Schnauzer und getönter Brille persönlich bei ihr. Ihr erstes Misstrauen verflog, als er wie zufällig einen Stapel Geldscheine lüftete. Er durfte ihren Keller durchsuchen. Und es klappte alles wie geplant. Er entdeckte eine von ihm selbst platzierte Sensation, den verschollenen Storm-Roman. Er beglückwünschte Edda Herbst. Sie könne sich glücklich schätzen, sagte er ihr, dass er nicht so hinterlistig wäre, ihr den wertvollen Fund heimlich abzuluchsen. Sie solle das aber niemandem weitererzählen, sonst würde ihm sein Chef das Leben schwer machen. Jetzt brauchte er sich nur noch zurückzulehnen. Eine neutrale Person, die sogar eine Verwandte von Storm war, würde den Roman der Öffentlichkeit präsentieren. Jetzt würde er bald mit seiner Theorie bei den spottenden Experten im Mittelpunkt stehen. Er würde endlich die langersehnte Anerkennung finden. Doch dann war irgendetwas schief

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