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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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sie knappe Anweisungen von ihm.
    »Zwei nach oben vor den Haupteingang, zwei nach rechts den Flur entlang und von der anderen Seite des Gebäudes zum Hintereingang des Rittersaals. Wenn der Mann dort rauskommen sollte, sofortiger Zugriff. Keine Experimente, verstanden!«
    Die vier Männer hatten genickt, zwei waren nach rechts verschwunden, während die anderen zwei mit Silvia und Swensen gemeinsam die Treppe hinaufgestiegen waren. Neben dem Ölschinken der Schlacht um Troja hatte die letzte kurze Besprechung stattgefunden, die zwei Beamten hatten ihren Posten links und rechts der Saaltür eingenommen, während Swensen die Klinke heruntergedrückt und sie nach innen aufgeschoben hatte. Das knarrende Geräusch hatte ihn geärgert.
    Aus dem Augenwinkel sieht er, wie Silvia Haman sich an der rechten Seite behutsam durch den Saal nach vorn bewegt und sich von der Seite dem Podium nähert. Der Redner scheint gerade zum Ende zu kommen.
    »Und so kann Theodor Storm in gewisser Weise als eine Symbolfigur betrachtet werden, eine Symbolfigur, die den Untergang des Bürgertums vorwegnahm, das um 1880 noch mit gutem Gewissen lebte und sich am liebsten außerhalb der Geschichte stehend einordnete. Bürgerlich zu sein hieß damals, stolz zu sein, seinen ehrlich erworbenen Besitz zu zeigen. Ein grausamer Trugschluss. Der bürgerliche Mensch, der sich einer natürlichen Ordnung angehörig wähnte, erwachte erst in den blutigen Schützengräbenschlachten des Ersten Weltkrieges. Hier wurden seine Ideale im Trommelfeuer der Maschinengewehre zerfetzt. Hier vollendete sich in jeder Hinsicht der ›Tod der bürgerlichen Moral‹.“
    Nach einer kurzen Pause setzt Beifall ein. Swensen gerät in eine eigentümliche Spannung. Er sitzt auf seinem Stuhl wie eine aufgedrehte Sprungfeder. Da passiert etwas völlig Unerwartetes. Noch bevor das Publikum sich erhebt, eilt der Mann vom Rednerpult direkt auf ihn zu.
    »Herr Swensen, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie mein Vortrag interessiert, hätten Sie selbstverständlich eine Einladung bekommen.«
    Swensen erhebt sich verblüfft, während allgemeines Geraune im Saal einsetzt und sich eine Menschentraube vor dem Saalausgang bildet.
    »Sie täuschen sich, Herr Rohde, ich bin nicht wegen Ihres Vortrags hier. Sie sind doch Ludwig Rohde, oder?«
    Der Mann wird kreidebleich, steht einen Moment wie angewurzelt. Dann geht alles blitzschnell. Silvia hat sich in seinem Rücken angeschlichen, doch er muss sie bemerkt haben. Noch bevor sie zupacken kann, dreht er sich ruckartig zur Seite. Ihre Hände greifen ins Leere. Swensen bekommt gleichzeitig einen mächtigen Schlag vor die Brust, taumelt nach hinten und stürzt in die vordere Stuhlreihe. Einige danebenstehende ältere Damen kreischen auf, als der Mann sie zur Seite stößt und auf die Seitentür zustürmt. Swensen will sich an einer Stuhllehne hochziehen und stöhnt auf. Sein rechter Fußknöchel schmerzt höllisch. Silvia hat trotz Schrecksekunde die Verfolgung aufgenommen, erreicht die Tür aber erst, als der Mann schon draußen ist. Es folgen eindeutige Geräusche eines Kampfes. Mit zusammengekniffenen Zähnen humpelt Swensen hinterher. Im Nebenraum streckt Silvia ihm den aufgerichteten Daumen als Siegeszeichen entgegen. Einer der Streifenbeamten lässt seine Pistole ins Halfter zurückgleiten, der andere ordnet seine Uniformjacke. Der Mann liegt auf dem Bauch vor ihnen, beide Arme auf den Rücken gedreht und an den Handgelenken mit Handschellen fixiert. Swensen kniet sich direkt neben seinen Kopf. Fast kumpelhaft legt er ihm die Hand auf die Schulter, eine sanfte Berührung.
    Der Arm des Gesetzes, denkt er erschrocken und zieht seine Hand sofort wieder zurück. Das ist Macht in höchster Konzentration. Jeder sollte das Recht darauf haben, dass man ihm nicht zu nahe kommt.
    »Stellen Sie ihn auf die Beine«, sagt er zu den Beamten.
    Die packen den Mann an der Hüfte und ziehen ihn in die Senkrechte. Swensen tritt vor ihn und schaut ihm in die Augen, ein gering schätzender Blick kommt zurück.
    »Ludwig Rohde, alias Ruppert Wraage, ich verhafte Sie wegen dringenden Mordverdachts. Sie haben das Recht zu schweigen. Es könnte für Ihre Verteidigung von Nachteil sein, wenn Sie uns Dinge verschweigen, auf die Sie sich später vor Gericht berufen wollen. Alles, was Sie jetzt sagen kann gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt.«
    Ruppert Wraage schließt die Augen.
    »Haben Sie mich

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