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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Müller schnappt sich einen Spachtel und macht sich über die verkrusteten Wände des Kochkessels her. Hinnak Hansen schaut auf die Uhr, geht ins Ruderhaus zurück und dreht das Radio an um den Wetterbericht zu hören. Mit zirka vier Knoten schneidet sich der Kutter jetzt mindestens eineinhalb Stunden durch die ruhige See.
    Kurz bevor das Fanggeschirr aufgebracht wird, hat Peter Müller stets ein Kitzeln im Bauch.
    »Es ist einfach jedes Mal wieder spannend, wenn der Steert hochkommt«, denkt er, während sich die Stahltrossen mit Krachen auf die Winde wickeln. Beide Netze tauchen gleichzeitig auf und werden hochgehievt. Sie sind berstend voll. Die Krabben rutschen in den Netzbeutel und baumeln in der Sonne. Das tausendfache Kribbeln, Krabbeln und Zappeln erzeugt das typisch knisternde Geräusch. Peter Müller jubelt mit erhobenen Daumen zum Fenster des Ruderhauses hinüber. Er bugsiert das prallvolle Netz über den eisernen Auffangtrichter, löst das Tau am ›Steert‹ und die Krabbenflut rauscht hinein. Mit einem Schlag ist Peter Müllers Hochstimmung auf null. Entgeistert starrt er auf einen bleichen Arm, der aus den quirligen Schalentieren herausragt.
    »Schitt! Hinnak! Verdammichter Schitt!«, brüllt er.
    »Wat is?«
    »Ene Leik! Wi heff ne Leik an Boord!« (Eine Leiche, wir haben eine Leiche an Bord!)
    »Wat!!!«
    Hinnak Hansen stürzt aus dem Ruderhaus wie von einer Tarantel gestochen. Peter Müller trabt mit rudernden Armen auf und ab und schimpft jetzt auf Hochdeutsch vor sich hin.
    »Das darf doch nicht wahr sein, so was! Das hat vor uns noch keiner geschafft. Ne’ Leiche mit dem Netz auffischen, das ist doch gar nicht möglich!«
    »Ich würde sagen, eins zu einer Million. Ja, Glück muss der Mensch haben«, ergänzt Hinnak Hansen sarkastisch und schimpft wütend hinterher, »das hat uns jetzt gerade noch gefehlt! Und? Was machen wir?«
    »Wieso, was machen wir?«
    »Na ja, über Bord damit!«
    »Bist du völlig durchgedreht, Hinnak?«
    »Weißt du was passiert, wenn wir den Mist hier melden? Wir dürfen unseren gesamten, beschissenen Fang wegschmeißen!«
    »Hinnak, jetzt bleib mal ganz ruhig. Willst du die Leiche etwa da rausziehen, wieder über Bord werfen und dann einfach weitermachen?«
    Hinnak Hansen steht da wie versteinert, dann dreht er sich abrupt um und geht langsam auf das Ruderhaus zu.
    »Schon gut, Peter, schon gut!«, murmelt er.
    Eine halbe Stunde später legt sich das Polizeiboot ›Sylt‹ längsschiffs. Es ist dreimal größer als die ›Trude‹. Über eine Trittleiter kommen mehrere Beamte an Bord. Es ist Mittwoch, der 22. November 2000.
     
    * * *
     
    Dunkelbrauner Qualm steigt in einer pulsierenden Schlange vor ihm in den wolkenlosen Himmel. Swensen kann sich wieder an die Müllverbrennungsanlage erinnern, als er seinen rechten Blinker einschaltet. Abfahrt Volkspark, das ist richtig. Er wechselt mit seinem Wagen von der Autobahn auf die Abbiegerspur um in der folgenden Kurve mit dem Motor abzubremsen. Im Vorbeifahren sieht er ein riesiges Wandgemälde an dem grauen Betonkasten. Eine Müllkralle hält die Weltkugel in ihren Fängen. Daneben prangt die Schrift: Wir lassen sie nicht fallen.
    Das ist doch wirklich der Zynismus pur, schießt es ihm durch den Kopf, während er beim Abbremsen sachte gegensteuert. Die Ampel steht auf Rot.
    Ja der Verstand wertet eben alles was er sieht, sagt im selben Moment seine buddhistische Überzeugung und gleichzeitig hält eine Stimme in guter alter 68er Manier dagegen, aber so ist das eben. Was ist denn eine Müllverbrennungsanlage? Sie versucht Müll zu beseitigen und verteilt ihn dabei nur in der Luft. Der Müll hat sich zwar in Luft aufgelöst, ist aber immer noch da! Der Buddhist bleibt gelassen. Der Müll wandelt wie alle Materie nur seine Form! So funktioniert sie eben, die ewige Verkettung von Ursache und Bedingung. Ursachen ziehen Folgen nach sich und der Mensch steckt da mitten drin. Er hat sich in der Tat für diese Müllverbrennung entschieden und Taten bringen nicht nur Glück, sondern auch Leid hervor, Herr Hauptkommissar.
    In Hamburg kennt er sich aus wie in seiner Westentasche, obwohl seine Dienstzeit bereits sieben Jahre zurückliegt. Jetzt links, dann immer geradeaus bis zur Kreuzung Bornkampsweg, dann links in die Stresemannstraße und an der liegt schon die Polizeidirektion Hamburg West. Kaum ist er allerdings einige hundert Meter stadteinwärts gefahren, ist wieder Schluss. Nichts geht mehr. Stau.
    Swensen lehnt sich zurück

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