Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
Vom Netzwerk:
verdienen! Das könnte sich sogar als ein Segen für die Stadt Husum herausstellen.«
    »Ich bin hier in Husum ein angesehener Historiker und Storm-Kenner. Ich lass’ mich doch nicht auf irgendwelche Machenschaften ein. Was haben Sie eigentlich für ein verzerrtes Bild von mir?«
    Kargel schüttelt fassungslos den Kopf und starrt den Mann auf dem Sofa ungläubig an. Der greift das Kissen neben sich, springt auf und steht, nach drei, vier hastigen Schritten, direkt vor Kargels Schreibtisch. Urplötzlich hält er eine Pistole in der Hand, presst das Kissen darüber und zielt. Kargel versucht sich im letzten Augenblick wegzudrehen. Da löst sich ein dumpfer Schuss.
    Das Projektil dreht sich durch den Schusskanal und bohrt sich in das Kissen. Der Leinenstoff zerplatzt in der Mitte. Daunenfedern explodieren in die Luft. Die Reibungshitze des Metalls versengt den dunkelblauen Anzugstoff am oberen Rand der rechten Brusttasche, hinterlässt ein verkohltes Loch, sprengt die Haut auf, zerschmettert rechts neben dem Brustbein die vierte Rippe, wobei die Knochensplitter der Patrone feine Schrammen in den Messingmantel ritzen. Dann zerreißt sie die Lungenarterie, zieht eine tödliche Spur durch das Lungengewebe, streift eine der hinteren Rippen, lässt die Haut beim Austritt bersten und bohrt sich in die Ziegelwand. Kargel stürzt mit dem Stuhl nach hinten. Der Kopf knallt auf den Boden, der Körper fällt zur Seite und bleibt regungslos liegen. Blut strömt aus der Wunde und versickert im Teppichboden. Als der Mann mit der Pistole näher tritt, hört er das schwache Röcheln des Opfers. Blutblasen quellen ihm aus dem Mund. Er dreht dessen Körper auf den Rücken und setzt die Mündung der Waffe genau auf Herzhöhe an. Er presst wieder das Kissen darüber. Der zweite Schuss schallt hohl durch den Raum. Ein Schlag zuckt durch Kargels Körper. Das Röcheln verstummt.
    »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, murmelt der Täter, der schweißgebadet, wie betäubt, mit der Waffe am Herzen über seinem Opfer hockt.
    »Da ist gerade eine verdammte Riesenscheiße passiert!«
    Als er das Kissen hebt, ist es blutgetränkt. Rote Spritzer ziehen sich über die Pistole, seine Hand und den Ärmel seines Mantels. Er stiert mit leerem Blick auf die Waffe und taumelt, nach Halt suchend, aus dem Raum. Unten im Eingangsbereich ist die Toilette. Wie in Trance steuert er darauf zu, hält die Waffe und seine Hände unter den Wasserstrahl, trocknet sich mit Papier aus dem Spender ab und stopft es zusammen mit der Pistole in die Manteltasche. Er sitzt mindestens eine halbe Stunde zitternd auf einer Treppenstufe, dann fühlt er sich langsam ruhiger.
    Wenig später aktiviert er den Bildschirm des Laptops, schließt die noch immer aufgerufene Datei. Gutachten doc. Die aktuelle Uhrzeit: 0:03. Er fährt mit dem Cursor auf die Uhrzeit am unteren rechten Bildschirmrand. Zweimal anklicken. Das Fenster für Datum/Uhrzeit klappt auf. Er datiert die aktuelle Uhrzeit auf 18:00 zurück. Dann öffnet er die Gutachtendatei wieder. Hektisch überfliegt er den gesamten Text. Was muss er ändern? Er fühlt sich unter Zeitdruck. Nach längerer Überlegung sausen seine Finger über die Tastatur. Passagen werden markiert und verschwinden auf Knopfdruck im Papierkorb. Blitzschnell reihen sich die angetippten Buchstaben zu Wörtern, Sätzen, Textabschnitten. Keine zwei Stunden später hätte selbst Dr. Herbert Kargel sein Gutachten nicht mehr wieder erkannt. Aus der von ihm entlarvten Fälschung ist eine literarische Weltsensation geworden. Am Ende ist die geschlossene Datei unter: Gutachten doc. 30. 11. 2000 19:52 abgespeichert. Den Papierkorb entleeren und fertig. Er schaut auf die Uhr und gibt die aktuelle Uhrzeit von jetzt 01:55 wieder ein.
     
    * * *
     
    »Hallo Jan! Schon wieder gesund?«
    Swensen dreht sich erstaunt um. Er ist extra besonders früh in die Inspektion gekommen um noch einmal ungestört den Fall Edda Herbst durchzugehen. Da steht Heinz Püchel mit einer brennenden Zigarette in seiner Bürotür, als wenn er ihm förmlich aufgelauert hat.
    »Heinz, du hier? Es ist sechs Uhr!«
    Swensens legt seine Hand an den Hals, denn die Stimme krächzt leicht. Püchel tritt ungewohnt dicht an ihn heran und legt ihm loyal eine Hand auf die Schulter.
    »Hast du einen Moment Zeit?«
    Swensen nickt kurz. Püchel wartet, bis er eingetreten ist und schließt dann die Tür. Als Swensen ihn darauf irritiert anguckt, lächelt er gequält, inhaliert hastig den Rauch seiner Zigarette

Weitere Kostenlose Bücher