Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
und schaut auf sie herab.
Der typisch arrogante Blick der Macht, denkt sie.
»Also, wir schreiben ein Protokoll und melden den Vorfall der Kripo. Es wäre gut, wenn Sie ihren Kopf so schnell wie möglich von einem Arzt untersuchen lassen. Das ist immerhin ein Beweis für den Vorgang hier. Mehr können wir nicht tun.«
Er nickt zum Gruß und stolziert mit seinem Kollegen aus dem Raum. Maria Teske bleibt mit unterschwelliger Wut im Bauch zurück. Besonders ärgerlich findet sie, dass es diesen Uniformen mal wieder gelungen war, dass sie sich ziemlich dämlich fühlt.
Die haben doch wirklich geglaubt, ich hab mir alles nur eingebildet, denkt sie, schlägt die Zähne aufeinander und beißt sich dabei auf die Zunge. Der höllische Schmerz macht sie noch wütender. Erst als sie sich auf der Toilette kaltes Wasser ins Gesicht schüttet, kommt sie wieder zur Besinnung. Mit dem Handy ruft sie beim Notdienst an und fragt nach dem Bereitschaftsarzt für die heutige Nacht.
Zehn Minuten später verlässt sie das Gebäude. Es schneit nicht mehr. Die Schneedecke reflektiert das helle Mondlicht. Maria Teske stapft in den Fußspuren der Streifenbeamten zum Marktplatz hinunter. Als sie durch den Torbogen tritt, schleicht gerade ein Taxi vorbei. Mit einer Armbewegung kann sie es stoppen.
»In den Hauke Haien Ring 17, bitte!«, sagt sie und klettert langsam auf den Rücksitz. Der Überfall spukt ihr immer noch im Kopf herum. Sie zieht ihr Handy aus der Jackentasche und wählt die Nummer ihres Kollegen Rüdiger Poth. Nach sechs Klingelzeichen schaltet sich der Anrufbeantworter an. Da ist es wieder, das unangenehme Gefühl vom Freitagmorgen. Sie legt auf und versucht mit einem Blick durch die Scheibe herauszufinden, wo sich das Taxi gerade befindet. Südfriedhof Friedrichstraße, es ist nicht mehr weit. Der Mercedes kämpft sich durch den hohen Schnee, kommt stellenweise aber nur im Schritttempo voran. Als sie endlich auf den Klingelknopf der Arztpraxis drücken kann, hat die Fahrt über 20 Minuten gedauert. Maria Teske muss noch zweimal mehr klingeln, bevor eine verschlafene Frau die Tür öffnet und, nachdem sie von ihrem Schlag auf den Kopf berichtet hat, sie in einen Behandlungsraum führt. Dort muss sie der kleinen, rundlichen Grauhaarigen, die sich bedächtig einen weißen Kittel überzieht, erst einmal ellenlange Fragen beantworten, bevor die Untersuchung beginnt.
»Sie haben da eine mächtige Beule!«, sagt sie wie nebenbei, während Maria Teske fühlt, wie ihre Finger über die schmerzende Kopfhaut gleiten. »Ist i hnen übel, haben Sie Kopfschmerzen?«
»Nur ein wenig!«, lügt sie, damit die Ärztin nicht doch noch auf die Idee kommt sie in ein Krankenhaus einzuweisen.
»Mit Kopfverletzungen ist nicht zu spaßen. Es könnte sich dabei schon um eine Gehirnerschütterung handeln. Falls Ihnen doch noch übel wird, sollten Sie sofort ein Krankenhaus aufsuchen.«
»Ich denke es geht schon wieder«, wiegelt sie ab.
»Auf Ihre eigene Verantwortung. Ich geb Ihnen eine Packung Schmerztabletten mit. Und dann äußerste Ruhe, legen Sie sich ein paar Tage ins Bett.«
»Mach’ ich!«
Innerlich ist Maria Teske froh, dass die lästige Untersuchung vorbei ist und es eine schriftliche Bestätigung für ihre Verletzung gibt. In Gedanken ist sie allerdings bereits bei dem Entschluss, jetzt gleich noch bei Rüdiger Poth vorbeizufahren.
Der gesamte Hauke Haien Ring sieht aus wie eine verwunschene Winterlandschaft. Die parkenden Autos sind unter der Schneedecke kaum noch zu erkennen. Der Himmel ist sternenklar und es friert Stein und Bein. Sie greift zu ihrem Handy. Doch als sie die Nummer einer Taxizentrale eingeben will, stockt sie, schaut auf die Uhr, überlegt und wählt dann entschlossen den Anschluss von Ernst Meyer. Mit zunehmend schlechtem Gewissen hört sie auf die Klingelzeichen, achtmal, neunmal, zehnmal, elfmal.
»Meyer!«, meldet sich eine Stimme aus dem Jenseits.
»Maria Teske! ’Schuldigung dass ich noch anrufe, aber es ist überaus wichtig!«
Einen Moment herrscht Stille. Dann gibt es ein Gekruschel.
»Weißt du wie spät es ist? Es ist gleich halb zwei!«
»Ich weiß, aber du hast mir selber erzählt, dass du Profi bist! Also, raus aus den Federn! Schnapp dir deine Kamera und hol’ mich hier ab, aber schnell. Ich steh’ hier am Hauke Haien Ring 17 und frier’ mir den Arsch ab!«
* * *
Er drückt den Gewehrschaft an die Schulter, presst die Wange fest ans blanke Holz und versucht Kimme und Korn mit
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