Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
rein. Du weißt, welche Angst er immer vor einem möglichen Druck von außen bekommt.«
»Ach, das hab ich schon abgehakt. Ich dachte nur gerade darüber nach, wie der Weg durch die Instanzen bei unserem Außenminister und mir so verlaufen ist!«
»Joschka Fischer und du? Versteh’ ich nicht!«
»Kannst du auch nicht. Mir kam da so eine Erinnerung aus meiner Studentenzeit, als ich noch auf der anderen Seite einer Polizeisperre stand.«
»Wie? Richtig mit Randale und so?«
»Na, sagen wir eher mit Gerangel und so!«
»Pass’ bloß auf, dass Püchel davon nicht erfährt. Sonst kriegt der noch rote Pickel!« neckt Silvia Haman ihn und zeigt beim Lächeln ihre beeindruckenden weißen Zähne.
»Und du pass’ bloß auf, dass er die Nummer mit Bonsteed nicht rauskriegt«, kontert Swensen scherzhaft.
Ihr Lächeln gefriert augenblicklich. Sie setzt sich auf den Stuhl neben Swensen und rückt dicht an ihn heran.
»Versprichst du mir, dass die Sache beim Chinesen unter uns bleibt?«
»Versprochen! Aber überleg’ dir bitte sehr sorgfältig, wie du in Zukunft mit einem Zeugen umgehst, Silvia!!«
»Aber, Herr Bonsteed hat mich nach unserem gemeinsamen Gespräch doch nur zum Chinesen eingeladen, um mich über seine Arbeit bei der Stormgesellschaft zu informieren. Und dann verging die Zeit wie im Flug. Er ist einfach ein charmanter Erzähler und so zuvorkommend, dass ich mir nichts Großartiges dabei gedacht habe, Jan.«
»Ich sag’ nur Vorsicht. Du solltest unter allen Umständen neutral bleiben. Ich hab zum Beispiel gesteckt bekommen, dass dein so charmanter Bonsteed ein Verhältnis mit der Frau von Kargel hat, oder gehabt haben soll!«
Silvia Hamans Mimik versteinert.
»Wer hat dir das denn gesteckt?«
»Eine Journalistin!«
»Na ja, na ja!!«
»Selbst wenn es nicht stimmen sollte, denk’ mal darüber nach, wie es für dich wäre, wenn du Bonsteed nach so was …!« Swensen bricht seinen Satz ab, denn Silvia Haman macht den Eindruck, als würde sie ihn gar nicht wahrnehmen. Im Inneren ihres Kopfes scheint es zu rattern. Doch ihre Abwesenheit dauert nur einen Moment, dann wirkt sie schlagartig so abgeklärt wie immer.
»Auch wenn die Sache mit Bonsteed nicht ganz astrein war, ich hab trotzdem was ziemlich Wichtiges rausgekriegt. Kargel war bei Edda Herbst in der Wohnung.«
»Was!!!«
Swensen sitzt da, wie vom Blitz getroffen.
»Ja, nichts Dramatisches, aber immerhin.«
»Nichts Dramatisches?«, braust Swensen auf.
»Ruhig Blut, Jan! Es geht nur darum, dass unsere Edda Herbst um mehrere Ecken mit dem alten Theodor Storm verwandt sein soll. Kargel und Bonsteed waren dann nacheinander routinemäßig bei ihr, um …«
»Bonsteed auch?«
»Ja, die haben nachgefragt, ob sich bei ihr im Haus noch irgendwelche alten Briefe oder Schriften befinden.«
»Und?«
»Nichts und. Sie sagte ihnen, sie hätte nichts.«
»Siehst du, so fängt der ganze Mauschelkram an. Wie sollen wir diese Aussage für unsere Ermittlung verwenden, ohne dass unangenehme Fragen gestellt werden könnten? Wir brauchen unbedingt eine offizielle Aussage, Silvia! Also, pass’ auf! Deine Information bleibt erst mal unter uns. Sieh dich vor, dass Püchel und die Kollegen davon nichts erfahren. Ich vernehm’ Bonsteed dann einfach noch mal offiziell.«
»Okay, Jan! Danke!«
Silvia Haman setzt zu einer Berührung in Richtung Swensens Hand an, erstarrt aber in einer unbeholfenen Anfangsbewegung, als ob sie vor so viel Intimität plötzlich erschreckt.
»Schon gut, Silvia!! Warte mit Bonsteed einfach so lange, bis der Fall abgeschlossen ist!«
Silvia Haman Gesicht bekommt tiefe Furchen auf der Stirn. Ihn trifft ein stechender Blick.
»Ich finde, jetzt gehst du entschieden zu weit, Jan!«
»’Schuldigung! Das ist mir nur so rausgerutscht. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
Swensen merkt, dass er Mist gebaut hat und stellt sich innerlich schon auf eine längere Auseinandersetzung ein. Doch Püchels Stimme rettet ihn aus der misslichen Lage.
»Jan, kann ich dich, bevor wir weitermachen, noch kurz sprechen?«
Mit den Worten: »Nichts für ungut!«, versucht er Silvia noch mal zu beschwichtigen und geht auf Püchel zu, der in der Konferenztür auf ihn wartet.
»Ich hatte ganz vergessen dir zu sagen, dass Bigdowski, der Chefredakteur der ›Husumer Rundschau‹, mich kurz nach der Pressekonferenz heute Mittag angerufen hat. Er hatte offensichtlich von dem Gespräch zwischen dir und der Teske erfahren und mich noch mal persönlich
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