Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
und nimmt den Letzten mit dem Namen Poth in die Mitte.
Rüdiger Poth. Ermordet am Morgen des 1. Dezembers zwischen 8:00 und 8:30. Zwei tödliche Herzschüsse. Selbe Waffe und gleicher Tatablauf wie bei Kargel. Auch hier wurde ein Kissen als Schalldämpfer benutzt. Es findet kein Kampf statt. Der Täter ist nicht gewaltsam eingebrochen. Der Haustürschlüssel ist verschwunden. Die Tür, die seine Kollegen Teske und Meyer mit dem Brecheisen in der Nacht des 2. Dezember öffnen, soll vorher unversehrt gewesen sein. Maria Teske recherchiert im Auftrag von Theodor Bigdowski den Mordfall Kargel. Als Poth am Freitagmorgen nicht zur Arbeit erscheint, übernimmt sie dessen Arbeit. Bevor sie mit Meyer die Wintergartentür des Ermordeten öffnen, wird gegen 23:00 Uhr in die Redaktion der ›Husumer Rundschau‹ eingebrochen und jemand versucht, in den Computer des Ermordeten einzudringen. Teske stört den Einbrecher. Der schlägt sie nieder und flieht.
In der Wohnung des Ermordeten befindet sich das Original des Storm-Romans, das eigentlich beim ermordeten Kargel sein sollte. Hat Poth den ermordeten Kargel vorher noch getroffen und den Roman mitgenommen? Wollte der Mörder das Original in seinen Besitz bringen? Warum hat er es dann nicht gefunden, es lag offen in einer Schublade? Warum hat der Täter Poths Wohnung nicht durchsucht? Warum wurde er überhaupt ermordet?
Swensen legt alle drei Bögen nebeneinander und unterstreicht alle Namen. Hajo Peters und Herbert Kargel findet sich auf allen dreien, Karsten Bonsteed, Theodor Bigdowski und Rüdiger Poth jeweils auf zweien und alle anderen sind nur auf einem Zettel vorhanden.
Sagt das etwas aus, denkt Swensen, während er seine Zettel nimmt und zum Konferenzraum rübergeht. Oder sind die Namen nur wie Kreuze auf einem Lottoschein?
9
»Scusi, Commissario Swensen, ich nicht sehen Sie reinkommen!«
Swensen hebt den Kopf. Vor seinem Tisch steht Bruno, der Chef vom Dante, in einem blütenweißen Hemd und roter Schürze, strahlt seinen Stammgast mit einem breiten Lachen an und reicht ihm zwei Speisekarten.
»Signora Diete noch kommen?«
Swensen nickt und stutzt. Brunos gewohnter Wortschwall bleibt aus, stattdessen beugt er sich mit großen Augen zu ihm herunter.
»Sie den Mörder kriegen, Commissario?«
Swensen winkt Bruno bedeutungsvoll mit seinem Ohr dicht an seinen Mund.
»Vielleicht ist es ja nicht nur ein Mörder, sondern drei.«
Er zwinkert Bruno mit dem Auge zu.
»Aber pssst! Sie wissen ja, ich darf keine Ermittlungsergebnisse ausplaudern.«
»Tre assassini (3 Mörder)«, wiederholt Bruno mit verstörtem Blick. »Non capisco, das ist Sizilien!«
»Sie sagen es! So ist das organisierte Verbrechen. Es ist eben schon bis Husum vorgedrungen.«
Swensen schaut Bruno mit todernster Miene an und kann dann doch ein Grinsen nicht verkneifen.
»Sie mich nehmen hoch, Commissario! Non mi piace!«
»Nichts für ungut, Bruno! Es ist nur ein Scherz! Aber im Ernst, bei den Mordfällen tappen wir immer noch im Dunkeln.«
»Che cosa desidera da bere, was trinken?«
»Eine Apfelschorle«, sagt Swensen und kneift darauf die Augen zusammen. »Ach Quatsch! Bring’ heute einfach eine gute Flasche Chianti. Man gönnt sich ja sonst nichts!«
»Commissario, ich haben etwas speciale! Eine Flasche Rosso di Montalcino. Sehr günstig. Semplice mente fantastico!“
Er zieht seine Finger demonstrativ mit einem schmatzenden Geräusch von den angespitzten Lippen nach vorn.
»Wenn ich Brunos Handbewegung richtig deute, geht es hier um exquisite Gaumenfreuden?«
Anna Diete ist unbemerkt an den Tisch getreten. Als Bruno sie entdeckt, kommt sein ganzer Körper in Bewegung. Er schießt beherzt an ihre Seite. Doch Anna ist schneller. Er kann ihren Mantel nur noch in Empfang nehmen.
»Signora Diete, Sie das blendende Leben.«
Während Bruno mit dem Mantel wie mit einer Beute abzieht, lässt Anna sich auf den Stuhl nieder.
»Gibt es etwas zu feiern, Jan?«
»Nein, eher im Gegenteil. Ich versuche ein klein wenig meinen Frust zu betäuben.«
»Ah! Das klassische Gourmet-Syndrom.«
»Gab’ es irgendwelchen Ärger?«
Risotto all’ Amarone.
Gefüllte Entenbrust mit Radicchio.
»Das kann man wohl sagen!«
Tagliolini mit ›nero di seppia‹ (Tintenfischschwänze).
Polentaklößchen.
»Nun lass’ dir nicht alles aus der Nase ziehen!«
Crêpes mit Ricotta-Speck-Füllung.
Nudelpastete mit Taubenragout.
»Nun, ich kann mich nicht erinnern, dass mein Verhältnis zum Chef jemals
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