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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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rundum wohl. Anna tupft mit der Serviette ihre Lippen ab und lächelt ihm zu.
    »Einen schönen Gruß soll ich dir noch bestellen.«
    »Von wem denn?«
    »Nach deinen anfänglichen Ausführungen wollte ich ihn dir erst nach dem Essen ausrichten. Ich hab deinen Chef beim Empfang getroffen.«
    Swensen aufkommender Frohsinn fällt schlagartig in sich zusammen.
    »Was ist denn? Es ist nur ein Gruß von deinem Chef.«
    »Na, hör mal …!«
    »Nein, jetzt hörst du mal, mein geliebter Buddhist! Auch Heinz Püchel ist nur Teil des Ganzen, wie du immer so schön behauptest. Musst du ihn nicht so akzeptieren wie er ist, anstatt an ihm herum zu kritisieren?«
    »Mir scheint, du möchtest mit mir die zentrale Frage meiner Weltanschauung diskutieren, nicht wahr?«, antwortet Swensen und lächelt so verschmitzt wie seine Heiligkeit der Dalai Lama persönlich. Sie stutzt. Seine ernste Stimme steht eindeutig im Widerspruch zum Gesichtsausdruck.
    »Die zentrale Frage?«, wiederholt Anna Diete mit ernster Stimme. »Das hört sich ja richtig existentiell an. Jetzt werde ich echt neugierig!«
    »Also gut, es geht um die These: Heinz Püchel ist Teil des Ganzen oder, alles was existiert, ist ein untrennbarer Teil dieses Ganzen.«
    »Genau! Du sagst, alles ist untrennbar. Wenn dem so ist, bleibt die Frage: müssen wir dann nicht auch den Parolen der Neo-Nazis ohne Protest zustimmen? Sie sind Teil des Ganzen! Müssen wir nicht die Taten jedes Mörders zum Teil des untrennbaren Ganzen machen?«
    »Nein!«, sagt Swensen scharf. »Bei der Beantwortung dieser Fragen sollten wir nicht zwei Sichtweisen durcheinander würfeln. Die Neo-Nazis sind nicht in einer absoluten Sichtweise zu beurteilen, sondern bei ihnen geht es um unsere kleine, relative Welt, auf die wir das untrennbar Ganze anwenden müssen. Verstehst du?«
    »Nein, wenn alles auf unserer Welt gleichermaßen Teil des Ganzen ist, wieso plötzlich eine Ausnahme machen?«
    »Weil es keine ist! Alles ist zwar Teil des Ganzen, aber nicht alle Teile sind gleich. Es gibt sozusagen eine Abstufung von Graden der Ganzheit.«
    »Was? Jetzt wird das ja noch verworrener! Alles ist gleich, nur einiges ist gleicher? Hast du nicht gerade vorhin das Gegenteil behauptet?
    »Das ist eben nur ein Widerspruch, wenn die zwei Sichtweisen durcheinander gewürfelt werden! Die Feststellung ›vor dem Gesetz sind alle gleich, nur einige sind gleicher‹ bleibt nur eine Teilansicht der absoluten Sichtweise. Hier können die Teile des Ganzen definitiv nicht gleich gesetzt werden. So bilden zum Beispiel die Teile eines Atoms eine faszinierende Ganzheit, aber ein Atom ist nur Teil eines Moleküls. Das wiederum enthält alle Teile dieses Atoms und zusätzlich noch seine eigenen höheren Teile, die dann wieder eine Ganzheit bilden.«
    »Und was hat das jetzt mit den Neo-Nazis oder deinen Mördern zu tun?«
    »Na ja, auch die sind Teile des Ganzen, Teile der menschlichen Entwicklung. Sie agieren aber, und da sind wir sicherlich einig, nicht gerade auf der höchsten Stufe dieser Entwicklung. Ihre Teile nehmen meiner Meinung nach nur einen unteren Platz in der Ganzheit ein, sie haben einfach keine tiefe moralische Haltung dem Kosmos gegenüber. Ich würde sagen, sie haben einen schweren Fall von Entwicklungsstillstand. Und weil ich das glaube, bin ich auch Polizist geworden. Ich finde, man muss gegen solche Menschen vorgehen, ihr pathologisches Verhalten gegenüber der Gesellschaft stoppen.«
    »Ich wusste es schon immer, Jan Swensen, der kosmische Superkommissar aus Husum!«
    »Mach du dich nur lustig, schließlich wolltest du eine Diskussion über Weltanschauung!«
    »Darum geht es nicht, Jan! Ich finde nur, du diskutierst zu wenig, du referierst meistens. Das klingt manchmal schon so’n bißchen überheblich!«
    »Aber nur ein ganz klitzeklein wenig, oder?«, raunt Swensen, während er den Beleidigten schauspielert und seine Mundwinkel nach unten zieht. Anna Diete muss lachen.
    »Weiß’ du was, Jan?«
    »Nein!«
    »Ich liebe dich!«
    Swensen grinst verlegen. Dann nimmt er spontan Annas Hand, zieht sie liebevoll über den Tisch zu sich heran und drückt ihr einen Kuss auf. Doch als sie ihn leidenschaftlich erwidern will, schreckt er verschämt zurück.
    »Anna!«
    »Nicht hier in aller Öffentlichkeit, nicht wahr?«
    »Nein, … nein … ja … na ja!«
    »Jan Swensen! Ich dachte, es treibt uns jetzt mit wehenden Fahnen nach Hause.«
    »Tut mir leid, das geht sowieso nicht.«
    »Wieso das denn!?«
    »Ich muss

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