Hafen der Träume: Roman (German Edition)
wir … sagen wir, in fünf Minuten, in Ihrem Hotelzimmer sein.«
Sybill wich nicht aus, als sein Kopf sich zu ihr herabsenkte und seine Lippen sich langsam über ihrem Mund schlossen, als passten sie genau. Sein Kuss schmeckte kühl, mit einem unterschwelligen Versprechen von Hitze und Leidenschaft. Wenn sie es nur wollte. Und sie wollte. Es überraschte Sybill, wie sehr sie sich gerade in diesem Moment danach sehnte. Sie wollte in Flammen stehen und verbrennen, das Verlangen sollte die Spannung, die Sorgen und alle Zweifel in ihr auslöschen.
Dagegen stand ein ganzes Leben, in dem sie sich in Selbstbeherrschung geübt hatte. Mit leichtem Druck legte Sybill eine Hand auf Phillips Brust, um dem Kuss und der Versuchung Einhalt zu gewähren.
»Ich glaube, ein Spaziergang würde mir Spaß machen.«
»Dann gehen wir jetzt.«
Er wollte mehr. Phillip hätte wissen sollen, dass die wenigen Kostproben, die Sybill ihm gewährt hatte, seinen Appetit noch steigern würden. Was ihn verblüffte, war die Heftigkeit, mit der ihn das Verlangen überwältigte. Teilweise war wohl sein Ego getroffen, vermutete Phillip, als er Sybills Hand nahm und mit ihr die ruhige Uferpromenade entlangging. Ihre Reaktion auf ihn war so kühl und selbstbeherrscht gewesen. Er fragte sich, wie es sein würde, wenn er Schicht um Schicht ihre intellektuelle Fassade abtrug, bis die dahinter verborgene Frau zum Vorschein kam, wenn er sich bis zu der Ebene vorarbeitete, auf der sie nur noch Gefühl und Instinkt war.
Fast hätte Phillip über sich selbst gelacht. Träume seines Egos, allerdings. Soweit er begriffen hatte, beabsichtigte Dr. Sybill Griffin nicht, über eine höfliche und distanzierte Begegnung hinauszugehen.
Falls dies zutraf, stellte sie eine schwierige Herausforderung dar, und er würde sich zusammennehmen müssen.
»Jetzt verstehe ich, warum bei Shiney’s so viel los ist.« Sybill lächelte Phillip an. »Es ist noch nicht halb zehn, aber alle Läden sind geschlossen, und die Boote liegen vertäut im Hafen. Draußen laufen noch vereinzelt Leute herum, aber im Grunde schläft der Ort bereits.«
»Im Sommer herrscht abends mehr Leben. Wenigstens etwas. Es wird kühl. Ist Ihnen warm genug?«
»Hmm, ja. Der Wind ist sehr angenehm.« Sybill blieb stehen, um den Wald von schwankenden Bootsmasten zu betrachten. »Liegt Ihr Boot auch hier?«
»Nein, wir haben zu Hause einen eigenen Anleger. Das da ist Ethans Skipjack.«
»Wo?«
»Es ist das einzige Boot dieser Art in St. Christopher. An der ganzen Bay gibt es noch ungefähr ein Dutzend. Sehen Sie«, sagte er. »Der Einmaster dort.«
Für Sybills ungeübten Blick sah jedes Segelboot gleich aus. Natürlich unterschieden sich die Boote in Größe und Farbe, aber ansonsten waren sie zum Verwechseln ähnlich. »Was ist eine Skipjack?«
»Sie entstand aus den flachen Segelbooten, mit denen die Fischer zum Krabbenfang in die Bay fuhren.« Phillip zog Sybill näher an sich. »Dann wurden die Boote verbreitert und erhielten einen V-förmigen Rumpf. Das war einfach und billig.«
»Man nimmt sie also zum Krabbenfischen.«
»Nein, die meisten Fischer benutzen heute Motorboote. Mit der Skipjack fischt man nach Austern. Im frühen achtzehnten Jahrhundert wurde in Maryland ein Gesetz erlassen, das vorschrieb, Austern dürften nur mit Segelbooten aus der Bay geholt werden.«
»Naturschutz?«
»Genau. Daraus ist die Skipjack entstanden, und es gibt sie heute noch. Aber nicht mehr viele. Genauso, wie es nicht mehr viele Austern gibt.«
»Benutzt Ihr Bruder seine Skipjack noch?«
»Ja, sicher. Es ist eine elende Schufterei, in Kälte und Wind.«
»Sie hören sich an, als hätten Sie Erfahrung.«
»Ich habe einige Zeit auf dem Schiff mitgearbeitet.« Phillip blieb neben dem Bug stehen und schlang den Arm um Sybills Taille. »Im Februar, wenn der eisige Wind durch alle Löcher pfeift, über die vom Wintersturm aufgepeitschten Wellen zu schaukeln … da bin ich lieber in Baltimore.«
Schmunzelnd betrachtete Sybill das Boot. Es wirkte altertümlich und rau wie aus vergangenen Zeiten. »Ich stimme Ihnen zu, ohne einen Fuß auf Deck gesetzt zu
haben. Warum sind Sie dann über die vom Wintersturm aufgepeitschten Wellen geschaukelt, statt in Baltimore zu sein?«
»Ich hab’s wohl gebraucht.«
»Ich nehme an, dies ist nicht das Schiff, auf das Sie mich für den Segeltörn morgen eingeladen haben.«
»Nein. Wir segeln mit einem netten kleinen Freizeitboot. Können Sie schwimmen?«
Sybill hob
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