Hafen der Träume: Roman (German Edition)
sich den Komplikationen zu stellen. »Bis morgen.«
»Tun Sie mir einen Gefallen?«
»Wenn ich kann.«
»Denken Sie heute Nacht an mich.«
Sie zweifelte, ob ihr eine andere Wahl blieb. »Bis morgen.«
In seinem Büro vierzehn Stockwerke über den Straßen von Baltimore lehnte sich Phillip hinter seinem schwarz lackierten Schreibtisch zurück und schenkte dem Piepen seines Computers, der eine interne E-Mail signalisierte,
keine Beachtung, sondern drehte sich zu der riesigen Fensterfront.
Er liebte den Blick auf die Stadt, auf die renovierten, alten Häuser, den Ausschnitt des Hafens im Hintergrund, das Gewühl von Autos und Passanten tief unter sich. Im Moment sah er allerdings nichts von alledem.
Sybill ging ihm buchstäblich nicht aus dem Sinn. Dieses ständige Abschweifen seiner Gedanken, seiner Konzentration war neu für ihn. Dabei störte sie ihn nicht wirklich bei der Arbeit. Er konnte denken, war kreativ und erledigte seine Präsentationen in der gewohnten Gewandtheit und Eloquenz.
Aber sie war ständig gegenwärtig. Wie ein Ticken im Hinterkopf den ganzen Tag hindurch, ein Ticken, das sich allmählich in den Vordergrund stahl, wenn seine Energie nicht anderweitig beschäftigt war.
Er war sich nicht sicher, ob es ihm gefiel, von einer Frau so stark in Beschlag genommen zu werden, noch dazu von einer Frau, die ihn in keiner Weise ermutigte.
Vielleicht sah er in ihrer wohlerzogenen Höflichkeit, der Distanz, die sie zu wahren suchte, eine Herausforderung. Damit konnte er leben, denn das war nur eine weitere, vergnügliche Variante des altbekannten Spiels zwischen Mann und Frau.
Andererseits störte ihn der Gedanke, dass sich etwas anbahnte, was ihm neu war. Und wenn er einen Funken Menschenkenntnis besaß, war sie ebenso beunruhigt wie er.
»Das ist wieder typisch für dich«, hörte er Ray hinter sich sagen.
»Gütiger Himmel.« Phillip fuhr nicht herum und starrte ihn nicht an. Er schloss einfach die Augen.
»Piekfeines Büro.« Ray schlenderte lässig durch den Raum, blieb vor einem Bild stehen – moderne Kunst, rote und blaue Sprenkel im schwarzen Rahmen – und schürzte die Lippen. »Nicht schlecht«, meinte er. »Regt
zum Denken an. Deshalb hast du es vermutlich in dein Büro gehängt. Damit die Hirnsäfte fließen.«
»Ich weigere mich zu glauben, dass mein verstorbener Vater in meinem Büro steht und Kunstwerke würdigt.«
»Darüber wollte ich auch gar nicht mit dir reden.« Ray blieb vor einer Metallskulptur in einer Ecke stehen. »Auch das Objekt gefällt mir. Du hattest immer schon einen erlesenen Geschmack. In der Kunst, im Essen, bei Frauen.« Er grinste vergnügt, als Phillip sich umdrehte. »Die Frau, die dir jetzt gerade im Kopf herumschwirrt, zum Beispiel. Absolute Klasse.«
»Ich brauche ein paar freie Tage.«
»In diesem Punkt gebe ich dir Recht. Seit Monaten steckst du bis über beide Ohren in Arbeit. Sie ist eine interessante Frau, Phillip. Und es ist mehr an ihr dran, als du sehen kannst, mehr sogar, als ihr bewusst ist. Ich hoffe, dass du ihr zuhörst, wenn die Zeit reif ist. Dass du ihr wirklich zuhörst.«
»Was redest du eigentlich?« Phillip hob abwehrend die Hand. »Und wieso frage ich dich, was du redest, wenn du gar nicht da bist?«
»Ich hoffe, dass ihr zwei aufhört, die Situation zu analysieren und die Dinge einfach akzeptiert, wie sie sind.«
Ray zuckte die Achseln, schob die Hände in die Taschen seiner Orioles-Sportjacke. »Aber du musst deinen eigenen Weg gehen. Das ist nicht leicht. Und es bleibt nicht viel Zeit, bevor es noch wesentlich schwieriger wird. Du stehst zwischen Seth und dem, was ihn verletzt. Das weiß ich. Ich will dir nur sagen, dass du ihr vertrauen kannst. Wenn es drauf ankommt, Phillip, vertrau dir und vertrau ihr.«
Ein Frösteln kroch Phillip den Rücken hinunter. »Was hat Sybill mit Seth zu tun?«
»Ich habe kein Recht, dir das zu sagen.« Wieder lächelte
Ray, doch seine Augen blieben ernst. »Du hast noch nicht mit deinen Brüdern über mich gesprochen. Das musst du tun. Und du musst aufhören zu glauben, dass du für alles verantwortlich bist. Du machst deine Sache weiß Gott nicht schlecht, aber gib ein wenig nach.«
Ray holte tief Luft und drehte sich langsam um sich selbst. »Mein Gott, deiner Mutter hätte das hier gefallen. Du hast es verdammt weit gebracht in deinem Leben.« Nun lächelten auch seine Augen. »Ich bin stolz auf dich. Und ich weiß, dass du das, was auf dich zukommt, schaffst.«
»Du hast verdammt
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