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Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Titel: Hafen der Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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nach Mexiko.«
    »Mit zwölf klaute er Autos und wollte nach Mexiko.«
    »Richtig. Der erste der drei bösen Quinn-Buben.« Er hob sein Glas und prostete seinem abwesenden Bruder zu. »Er war wieder mal von seinem besoffenen Vater verprügelt worden und beschloss abzuhauen, ehe der Kerl ihn totschlug.«
    »Mein Gott.« Sybill stützte den Arm auf die Lehne, während sie sich wieder setzte.
    »Cam fiel vor Schreck in Ohnmacht, und mein Vater trug ihn ins Haus. Meine Mutter behandelte ihn.«
    »Sie haben nicht die Polizei gerufen?« »Nein. Cam hatte einen Mordsschrecken, und meine Mutter erkannte die Narben körperlicher Misshandlung auf den ersten Blick. Die Quinns zogen Erkundigungen ein, wandten sich an Behörden und überlisteten Paragrafen. Und sie gaben Cam ein Zuhause.«
    »Sie haben ihn ohne weiteres als Sohn aufgenommen?«
    »Meine Mutter sagte einmal, wir alle hätten ihr längst gehört. Es hat nur eine Weile gedauert, bis sie uns fand. Dann kam Ethan. Seine Mutter war eine Nutte in Baltimore und ein Junkie. Sie ließ ihre Langeweile an ihm aus, indem sie ihn ständig verprügelte. Und dann kam ihr die Idee, ihr Einkommen aufzustocken und ihren achtjährigen Jungen an Perverse zu verkaufen.«
    Sybill hielt ihr Glas mit beiden Händen fest und wiegte sich mechanisch vor und zurück. Sie war unfähig, etwas zu sagen.
    »Das musste er ein paar Jahre über sich ergehen lassen. Eines Nachts wurde einer ihrer Kunden gewalttätig, nachdem er mit Ethan und mit ihr fertig war. Da sie die Prügel bezog und nicht ihr Junge, wurde sie wütend, stach den Kerl nieder und verschwand. Die Bullen brachten Ethan in die Klinik. Dort hatte meine Mutter gerade Nachtdienst.«
    »Und sie nahm ihn ebenfalls auf«, murmelte Sybill.
    »Ja, so war das in groben Zügen.«
    Sie nahm einen Schluck und beobachtete Phillip über den Rand des Glases. Die Welt, die er da beschrieb, war ihr fremd, sie wusste zwar, dass so etwas existierte, aber sie war damit nie in Berührung gekommen. »Und du?«
    »Meine Mutter jobbte in den Slums von Baltimore. In Stripläden, als Animiermädchen, ging auch gelegentlich auf den Strich, beging kleine Trickbetrügereien. Mein Vater saß jahrelang im Knast wegen bewaffneten Raubüberfalls, und als er rauskam, schaute er nicht mal bei uns vorbei.«
    »Hat sie … hat sie dich geschlagen?«
    »Hin und wieder, bis ich kräftig genug war, um zurückzuschlagen. Davor hatte sie wohl Angst.« Er lächelte dünn. »Und das zu Recht. Wir hatten nicht viel für einander übrig. Aber ich brauchte ein Dach über dem Kopf, und dafür musste ich Geld anschaffen. Ich schlug mich als Taschendieb durch und knackte Schlösser. Ich war gar nicht schlecht.« Und mit einem stolzen Grinsen verbesserte er sich: »Hey. Ich war sogar verdammt gut. Aber ich drehte keine grossen Dinger, sondern klaute nur das, was ich schnell in Geld oder Drogen umsetzen konnte. Wenn mal gar nichts lief, ging ich auf den Strich.«
    Er sah, wie sich ihre Augen vor Entsetzen weiteten und ihr Blick ihm auswich.
    »Das Überleben wird einem manchmal nicht leicht gemacht«, meinte er gedehnt. »Aber ich hatte auch viel
Freiheit. Ich war tough, ich war gemein, und ich war ziemlich clever. Gelegentlich wurde ich geschnappt und brummte ein paar Tage, aber man ließ mich immer wieder laufen. Wenn ich noch ein paar Jahre so weitergemacht hätte, wäre ich endgültig im Knast gelandet – oder in der Leichenhalle.« Er beobachtete sie. »Und das wäre auch der Weg von Seth gewesen – Knast oder Leichenhalle.«
    Sybill starrte in ihr Weinglas. »Du siehst viele Parallelen zu seiner Situation, aber …«
    »Als ich Gloria gestern sah«, unterbrach er sie, »wusste ich Bescheid. Ein hübsches Ding, völlig runtergekommen und am Ende. Harter, berechnender Blick und ein bitterer Zug um den Mund. Sie und meine Mutter hätten sich blendend verstanden.«
    Was sollte sie ihm entgegenhalten, wo sie doch den gleichen Eindruck hatte. »Ich habe sie nicht wiedererkannt«, sagte sie tonlos. »Im ersten Moment dachte ich, sie sei eine Fremde.«
    »Aber sie hat dich erkannt. Und sie hat ihre Tricks ausgespielt und sämtliche Knöpfe gedrückt.« Er machte eine Pause. »Die ist mit allen Wassern gewaschen. Wie ich.«
    Sybill sah ihn an und bemerkte, dass er sie kühl musterte. »Tust du das? Drückst du Knöpfe und spielst Tricks aus?«
    »Im Augenblick beantworte ich deine Fragen. Willst du den Rest hören?«
    »Ja.« Sie war brennend daran interessiert, alles zu

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