Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Geschäftlich und auch privat«, ergänzte Meinold. »Es hat sich schnell gezeigt, dass ich so nicht leben wollte. Nicht konnte. Und er sah keine Veranlassung, mir entgegenzukommen.«
»Könnte man sagen, dass er ein herrischer Typ war? Autoritär?«
»Ja, das könnte man. Aber nach außen gab er sich stets freundlich, tolerant, amüsant und offen. Alle mochten ihn.«
»Interessant.« Romy bedauerte, dass sie der Frau nicht gegenübersaß, um ihre Gestik und ihren Gesichtsausdruck beobachten zu können. Sie hatte lange genug bei der Sitte gearbeitet, um leise Zwischentöne zu registrieren, wenn es um Beziehungsstress und Machtspiele ging. »War er gewalttätig?«
Schweigen. »Das ist alles sehr lange her, Frau Kommissarin. Ich will keine schmutzige Wäsche waschen …«
»Darum geht es nicht!«, unterbrach Romy die Frau. »Ich muss das Opfer und seine Persönlichkeit kennenlernen, um Indizien für mögliche Motive und Täter zu gewinnen.«
»Ja, schon … Ich will aber nicht mehr daran zurückdenken.Ich bin froh, längst ein ganz neues Leben begonnen zu haben. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ich denke schon. Aber in einem Mordfall kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ich darf es nicht! Und an dem Punkt müssen Sie mich verstehen.«
Erneutes Schweigen. »Na schön. Ja – er war gewalttätig, manchmal. Ein Machtmensch, auf subtile Weise. Er hatte Charme für drei, aber wenn man seine Autorität infrage stellte, wurde es sehr ungemütlich. Mehr möchte ich nicht …«
»Glauben Sie, dass er sich geändert hat?«, fiel Romy ihr schnell ins Wort. »Immerhin liegt das alles sehr lange zurück.«
»Das kann ich nicht beurteilen, Frau Beccare. So viel Menschenkenntnis möchte ich mir nicht anmaßen – auf ihn bezogen schon mal gar nicht.«
»Wie meinen Sie das?«, hakte Romy nach.
»Nach einer Scheidung ist man meistens nicht allzu gut aufeinander zu sprechen. Meine Einschätzung wäre subjektiv gefärbt.«
»Das sind Einschätzungen meistens.«
»Ich denke, Sie wissen, was ich meine.«
Da wäre ich mir nicht so sicher, dachte Romy, ließ die Behauptung jedoch stehen. »Kannten Sie seine Eltern?«
»Zu denen bestand wenig Kontakt«, erwiderte Ricarda Meinold. »Die lebten in Lübeck. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden …«
»Eine letzte Frage! Jürgen Dreyer, den ehemaligen Geschäftspartner – kannten Sie den?«
»Nein. Als ich Kai kennenlernte, war er bereits alleiniger Geschäftsinhaber.«
»Hat er mal etwas verlauten lassen, warum die Zusammenarbeit nicht funktionierte?«
»Wie viele letzte Fragen haben Sie eigentlich noch?«, bemerkte Meinold in nun deutlich genervtem Ton. »Nein, ichweiß nichts davon. Kai hat nicht darüber gesprochen. Und nun …«
»Danke für Ihre Geduld, Frau Meinold.«
Romy legte auf und stützte ihr Kinn auf die Hand. Mister Makellos hat seine erste Ehefrau geschlagen – davon war sie überzeugt. Sie blickte hoch, als Fine eintrat. »Der Dreyer lebt nicht mehr.«
»Oh.«
»Ist vor zwei Jahren gestorben – Krebs.«
»Versuch doch mal jemanden ausfindig zu machen, der Richardts geschäftlichen Start in Bergen mitbekommen hat und auch was dazu sagen könnte.«
»Ich tue mein Bestes«, erwiderte Fine. »Ich könnte mal bei der Bank nachhaken, aber sehr auskunftsfreudig sind die in der Regel ohne richterlichen Beschluss nicht. Hast du schon was rausgekriegt?«
»Kai hat seine erste Frau geschlagen.«
Fine nickte langsam. »Aha.«
»Und nun interessiert es mich natürlich brennend, was Vera Richardt dazu meint.« Romy stand auf und schnappte sich ihre Lederjacke. »Bis später.«
Die Witwe sah übernächtigt aus. Mit einem erneuten Besuch der Polizei hatte sie so schnell nicht gerechnet, und verschärften Wert legte sie auf eine weitere Befragung auch nicht, das sah Romy ihr an der Nasenspitze an.
»Ich fühle mich unwohl«, bemerkte sie, während sie sich abrupt umwandte und in die Diele ging. »Hätten Sie nicht wenigstens vorher anrufen können?«
»Ich war ohnehin gerade unterwegs, Frau Richardt«, gab Romy lapidar zurück. »Und in einem Mordfall tauchen manchmal ganz unvermutet neue Aspekte und Fragen auf, denen wir so schnell wie möglich nachzugehen bemüht sind.«
Ein schneller abschätzender Blick zurück. »Gehen wir in die Küche? Ich wollte mir gerade einen Tee kochen.«
Romy setzte ihr, wie sie meinte, besonders verbindliches Lächeln auf. Ob es auch so bei der Witwe ankam, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen.
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