Hafenmord - ein Rügen-Krimi
kurz darauf brach der Fiatfahrer ebenfalls auf.«
»Haben Sie mit Ihrem Mann darüber gesprochen?«
»Nein, warum sollte ich? Die Tatsache bekommt ja offensichtlich erst jetzt eine Bedeutung. Ich hätte nie wieder darüber nachgedacht, wenn Sie mir das Foto nicht gezeigt hätten.«
»Und der Mann ist Ihnen nur einmal hier in der Straße aufgefallen?«
Vera zögerte. »Ich glaube schon, aber ich könnte es nicht beschwören. Vielleicht stand er öfter hier, ohne dass ich ihn bemerkte.«
Romy hob eine Braue und sah Kasper an. Der nickte unmerklich.
»Das könnte ein wichtiger Hinweis sein«, sagte Romy. »Noch eine Frage, wenn Sie erlauben.«
Die Witwe verzog den Mund. »Sie werden sich kaum davon abhalten lassen.«
Romy lächelte liebenswürdig, auch wenn es ihr schwerfiel.
»Egal, mit wem wir sprachen, bei unseren Befragungen wurde immer wieder betont, dass Ihr Mann ein Macher war – jemand, der allein bestimmte, wo es langging, und sich nicht reinreden ließ, sowohl im Job als auch privat.«
Vera Richardt verschränkte die Arme. »Und?«
»Kai Richardt war immer tonangebend und hatte sehr klare Vorstellungen, nach welchen Kriterien und Regeln er seinen Alltag gestaltete, seine Aufträge und Geschäfte abwickelte«, erklärte die Kommissarin langatmig. »Er war grundsätzlich der Chef und diskutierte darüber auch nicht.«
»Ja, ich hab’s verstanden. Und worauf wollen Sie hinaus?«
»Sein Arbeitszimmer war stets abgeschlossen«, fügte Romy nach kurzer Pause mit unschuldiger Miene hinzu. »Er wollte immer sichergehen, dass niemals jemand in seinen Sachen herumwühlte oder ohne seine ausdrückliche Erlaubnis seinen persönlichen Bereich auch nur betrat, geschweige denn sich dort umsah. Das konnte er nicht ausstehen, wie man uns sehr eindringlich versicherte.«
Vera Richardt wippte mit einem Fuß. »Ich bin gespannt auf Ihre Frage.«
Kasper sah Romy neugierig von der Seite an. Ihm schien es ähnlich zu gehen wie der Witwe.
»Als wir Sie am Sonntagabend baten, uns unter anderem den Laptop Ihres Mannes zu überlassen, sind Sie, ohne zu zögern, nach oben gegangen – in sein Zimmer«, erläuterte Romy. »Warum war es an dem Abend nicht abgeschlossen? Ihr Mann hatte seine Schlüssel bei sich, wie wir festgestellt hatten.«
Ein winziges Aufblitzen erleuchtete Vera Richardts Augen für Sekundenbruchteile.
»Es war abgeschlossen«, erwiderte sie dann ruhig. »Aber es gibt natürlich einen Zweitschlüssel – so wie es logischerweise für alle Räume Zweitschlüssel gibt.«
Romy nickte. »Ach so.« Sie hielt Vera Richardts Blick fest. »Und wo genau befand der sich?«
Die Witwe hob das Kinn. »Ist das Ihr Ernst?«
»Unbedingt.«
»Wir haben im Werkzeugkeller einen Schlüsselschrank. Dort hing er neben all den anderen Zweitschlüsseln. War es das jetzt?«
»Ja, fürs Erste – danke, Frau Richardt. Wir finden selbst hinaus.«
Zwei Minuten später standen sie vor dem Haus. Es war inzwischen dunkel. Vom Bodden stieg kühle Nachtluft auf. Das Wiehern eines Pferdes drang an Romys Ohr.
»Was sollte das mit dem Arbeitszimmer?«, fragte Kasper, und die Verwunderung war seiner Stimme deutlich anzuhören.
»Die Sache mit dem Abschließtick ist bei dem Telefonat mit Ricarda hängengeblieben. Sie hat sehr betont, wie wichtig Richardt sein eigener Bereich war«, erläuterte Romy. »Außerdem erinnere ich mich, wie der Junge am Sonntag seiner Mutter zurief, dass sie ›Papas Zimmer‹ nicht betreten dürfe. Und sie ist flott nach oben und nicht etwa in den Keller gegangen, um den Zweitschlüssel zu holen. Also war sie bereits vorher in seinem Zimmer.«
»Ja, mag sein. Wahrscheinlich hat sie einen Blick auf seinen Schreibtisch geworfen, um doch Hinweise auf den Verbleib ihres Mannes zu erhalten. Würdest du das nicht tun?«, gab Kasper zu bedenken.
Romy stöhnte leise auf. »Schon gut. Vergiss es – ein Detail, das hängengeblieben ist. Manchmal sind es diese Kleinigkeiten, die irgendwann noch einmal wichtig werden, wie zum Beispiel die Sache mit der vollständig formatierten Festplatte.«
»Oder die endgültig unter den Tisch fallen und dort auch hingehören.«
»Richtig. Auch das ist möglich«, stimmte Romy zu.
»Der Hinweis auf Steffen Brandt ist allerdings wichtig gewesen«, sagte Kasper. »Verdammt wichtig. Insofern gratuliere ich dir zu der Entscheidung, die Witwe noch mal zu befragen.«
Romy grinste. »Danke, Kollege. Das tut jetzt richtig gut.«
Er war vor dem Fernseher eingeschlafen und
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