Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Verbrechen nachzudenken – und zwar an dem Ort, an dem er sie begangen hat.«
»Und dann?«, fragte Steffen, der die Idee, Richardt in der Prora suchen zu lassen, bedeutend cooler fand, aber darum ging es Tim wohl nicht. Coolness war das Letzte, um das es hier ging.
»Werde ich dafür sorgen, dass alle erfahren, was dieses Schwein angestellt hat. Und er wird sich verantworten müssen.«
Kurz darauf schlichen sie aus dem Gebäude und fuhren auf verschiedenen Wegen nach Stralsund zurück.
Steffen traf eine Dreiviertelstunde später zu Hause ein. Er stopfte seine Klamotten, einschließlich der Schuhe, in die Waschmaschine und setzte sich in die heiße Badewanne.Mehrmals schrubbte er sich von Kopf bis Fuß ab, säuberte seine Fingernägel und wusch sich zweimal die Haare. Das hatte Tim ihm ans Herz gelegt. Keine Spuren.
Man müsste sie auch aus dem Inneren herauswaschen können, dachte er, während das heiße Wasser an ihm herabrann. Und damit den Schrecken wegspülen und den tiefen Schmerz, der mit der Lust an Rache und Erniedrigung gerungen und gewonnen hatte.
Steffen wusste, dass er Richardts Blick, den er aufgefangen hatte, als sie die Treppe nach oben gegangen waren und er sich noch einmal nach ihm umgesehen hatte, niemals vergessen würde und auch nicht den verzweifelten halberstickten Schrei, der seitdem jede Nacht in ihm widerhallte. Wie ein gequältes Kind, in dem die Panik hochkochte, hatte der Mann ausgesehen.
Steffen hasste sich selbst dafür, diesem Frauenquäler sogar noch einen Funken Mitleid entgegenzubringen. Das durfte Tim niemals erfahren.
Romy legte den Hörer auf und sah zu Kasper hoch, der vor ihrem Schreibtisch stand.
»Das war der Stralsunder Kollege, der unseren Läufer beschattet und demnächst Feierabend macht«, erläuterte sie. »Tim Beier ist mit einem Bekannten, den er aus einer Sportlerkneipe abgeholt hat, nach Rügen gefahren – genauer gesagt: nach Drigge. Dort hat er den Mann in einem dieser Wochenend-Gartenhäuser abgesetzt und ist anschließend in seinen Laden zurückgekehrt.« Sie hob eine Braue.
Kasper machte ein nachdenkliches Gesicht. »Und wer ist dieser Bekannte?«
»Ein gewisser Steffen Brandt. Wie es aussieht, wohnt er im Dachgeschoss des Lokals. Überprüfung läuft bereits.«
»Wollen wir da heute noch tätig werden?«
»Gute Frage.«
Romy atmete tief aus – nach einigen Stunden intensiver Büroarbeit gab es nur noch drei Möglichkeiten für sie: Feierabend machen und zwei Stunden am Strand spazieren gehen, um den Kopf wieder frei zu bekommen, eine Runde Boxen oder noch einmal richtig aktiv werden. Womit sie keinesfalls gesagt haben wollte, dass man am Schreibtisch nicht aktiv sein konnte.
Sie hatte in den letzten Stunden ihre Gesprächsnotizen geordnet und ausformuliert und Max zur weiteren Bearbeitung überlassen sowie mehrere Telefonate geführt und einige Male versucht, Vera Richardt zu erreichen – was ihr nicht gelungen war –, während Kasper das Umfeld von Tim Beier ausleuchtete.
Vielleicht war die Verbindung zwischen den beiden Läufern enger, als es auf den ersten Blick schien. Doch wenn dem so war, hätte Mirjam Lupak Kai Richardt nicht zumindest flüchtig kennen müssen? Sie bestritt das – weder Name noch Gesicht sagten ihr irgendetwas, angeblich. Aber sie bestritt ja auch, nach ihrer Trennung noch Kontakt zu Beier gehabt zu haben. Warum?
»Wir sollten Tim Beier und seinen Kumpel morgen vernehmen – wenn wir frisch und munter sind.« Sie stand langsam auf. »Aber ich möchte heute noch mal mit der Witwe sprechen. Ich bin dafür, unangemeldet vor ihrer Tür zu stehen. Sie wird jetzt sicher zu Hause sein.«
»Hältst du das für sinnvoll?« Kasper sah sie prüfend an. »Seine erste Frau hat nichts von Richardts Entführungsaktivitäten mitbekommen, warum sollte …«
»Ricarda hat mehr mitbekommen, als ihr bewusst war«, unterbrach Romy ihn. »Sie zog nur andere Schlussfolgerungen, als wir es heute tun. Im Übrigen ist es höchste Zeit, Vera über ihren Mann aufzuklären.« Sie seufzte. »In seinem Arbeitszimmer würde ich mich ja gern mal genauer umsehen, aber ich fürchte, dass sie das nicht zulassen wird.«
»Sehe ich auch so, und für einen Durchsuchungsbefehl reicht es wohl noch nicht.«
Romy nickte. »Da hast du wohl recht.«
Kasper griff nach seiner Jacke. »Gut, ich komme mit.«
Romy lächelte. »Befürchtest du, dass ich …?«
»Ja.«
Sie waren schon fast aus der Tür, als Romy noch mal zurückging und Max bat, ihr ein
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