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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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Seine Körperaktivität verminderte sich. »Zuerst einmal ist es von Bedeutung, ein großes Interesse mit einigen kleinen Interessen zu verheiraten, verstehen Sie? Und – es macht keinen Sinn kleinlich zu denken. Ich will es sagen, wie es ist: Lindau braucht einen neuen Hafen – das ist die einzige Lösung, um dem Zeitverlust Herr zu werden. Ja wir schaffen etwas Neues – einen komfortablen, schnellen, modernen Hafen. Und den Platz haben wir auch schon dafür … da drüben … drüben an dieser Hängeninsel … äh …«
    Schielin überlegte, und meinte dann: »Galgeninsel?«
    »Genau! Galgeninsel heißt es! Dort wird ein völlig neues Zentrum entstehen – Bahnhof neu, Hafen neu – New Lindau, und darum herum, auf diesem gewaltigen Gelände, das zurzeit übersät ist mit rostigen Geleisen und Weichen und … und …
    »Schrebergärten?«, fiel es Lydia Naber ein, die in Gedanken die Ladestraße und Eichwaldstraße entlangfuhr.
    »Schrebergärten, ja, genau … darum herum wird das Lake Skyline Resort entstehen mit Riesenrad, Achterbahnen, Schleudern, Rutschen, Mississippidampfern, Dampflokomotiven, Märchenlabyrinthen, Schleuderloopings, dazu Restaurants, Original Bavaria Biergärten und Culture-Event-Centers, an denen Kulturtage stattfinden können, wie zum Beispiel Seehafenfliegen – da ist man hier ja schon auf einem nicht so ganz falschen Weg. Das machen wir dann jedes Wochenende in den Sommermonaten. Wir hatten auch noch andere Ideen, wie etwa Mostkopfrennen oder Binsengeisterirgendwas, egal auch – die Begriffe und Traditionen hier, sie eignen sich doch so wundervoll. Man muss die Zukunft nur denken können, nicht wahr? Und wer nicht in Bewegung bleibt, verliert den Weg aus dem Blick, den Weg in die Zukunft. Und wir verbinden beide Welten – von New Lindau wird es einen Bootsshuttle hinüber ins Traditional geben.«
    Lydia Naber sah ihn gefährlich nachdenklich an. »Jetzt mal eine andere Frage. Wer hat Sie damit beauftragt, Lindau in eine effiziente Zukunft mit ökonomischer Stabilität zu bringen?«
    »Investoren … es gibt Investoren, die dieser Stadt eine Chance geben möchten.«
    »Ich nehme an, das sind die großen Interessen, von denen Sie vorhin gesprochen haben«, stellte Schielin fest.
    »Guut«, lobte er.
    »Was wären die kleinen Interessen?«
    »Ja, die lokalen eben … Handwerker und so.«
    »Das klingt nach ziemlichen Eingriffen … in das Gefüge, in die Natur …«, sagte Lydia.
    Bleise richtete sich auf und ließ die Hand energisch durch die Luft fahren. »Ich bitte Sie, also das ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit, eine Selbstverständlichkeit … alle unsere Partner sind, und das ist ein le must, sie sind CO2-zertifiziert, alle. Andere Partner kämen für uns gar nicht infrage, denn wir wissen doch: Unsere Umwelt, die Natur, das sind die größten Schätze, die wir haben.«
    Schielin vermied ein lautes Lachen. Er erinnerte sich an den Paketdienst, der vor einiger Zeit einen Adressaten suchte, dabei den Motor seines Transporters die ganze Zeit laufen hatte, auf dessen Seiten stolz die C02-Zertifikate prangten. Er wusste nun, was er sich unter diesem Zertifizierungsmist vorstellen durfte.
    »Und wie kommen Investoren ausgerechnet auf Lindau?«
    »Ja, auf allen Sendern ist das doch mit dem Bahnhof und diesen Bürgerentscheiden gelaufen. Es ist hier eine Stadt, die um ihre Zukunft kämpft. Das ist begeisternd, das mögen Investoren.«
    »Und was wird aus unserem wunderschönen Hafen da unten?«, fragte Schielin, der zwischen Entsetzen und Amüsement schwankte, sich ansonsten darüber sicher war, dass es nur eines gab, was Investoren wollten: benefit, wie dieses grässliche Wort hieß.
    »Für diese Entwicklungsfläche suchen wir noch Investoren. Aber … vieles ist vorstellbar.«
    Lydia Naber konnte sich auch viel vorstellen. Sie brach den schrecklichen Traum ab. »In der letzten Nacht. Haben Sie da etwas festgestellt, Herr Bleise, draußen im Traditionell, ich meine im Older Lindau?«
    Dr. Caspar Bleise musste nicht nachdenken. Er schüttelte den Kopf. »Ich war am Abend zum Essen im Restaurant und bin dann sehr früh zu Bett gegangen. Es war ein anstrengender Tag für mich.«
    Als Schielin mit Lydia Naber wieder nach unten ins Foyer ging, fragte sie: »Was sollen wir mit diesem Typen machen?«
    »Was willst du machen?«
    »Ja du, der meint das ernst.«
    »Mostkopfrennen«, entfuhr es Schielin angewidert.
    *
    Einige Zeit später trafen sie einander im Theatercafé in der

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