Hafenweihnacht
Geschäftsführer vorstellte.
Die Stimme dieses Zuger klang zwar heiser, doch hinter dem Kratzen und Schwanken war ein sonorer Bariton hörbar, freundlich und gelassen. Eine Stimme, deren Besitzer um ihre Bedeutung wusste und der ihre Stärken mit großer Vertrautheit einsetzte. Auch als er fragte, mit wem er denn gerade spräche um worum es ging. Man konnte ihn lächeln sehen, wie er da saß, sprach und die Verwirrung elegant überging, die deutlich geworden war.
Schielin wurde zwar konkret, vermied es aber, gleich zu Beginn zu viel preiszugeben. Er sagte von der Lindauer Polizei zu sein und Fragen zu einem gewissen Jochen Drohst zu haben.
Adrian Zuger antwortete schnell und ohne einen Ansatz von Verwunderung über den Anruf der Polizei: »Oh. Ich hoffe nur, er hat nichts allzu Schlimmes verbrochen, der Jochen. Es ist allerdings so, dass er nicht mehr bei uns beschäftigt ist.«
Schielin stutzte. Drohst war also nicht mehr bei BIS beschäftigt. Er fragte, ob es trotzdem möglich wäre sich zu einem Gespräch zu treffen. Er würde auch nach Bregenz kommen.
Adrian Zuger war grundsätzlich einverstanden, schränkte aber ein, dass es heute, am Samstag, für ihn schwierig sei so kurzfristig einen Termin zu finden, da er noch jede Menge Arbeit zu erledigen hätte. Im Telefon war das Klicken der Maus zu hören, als er durch seinen Terminkalender blätterte und leise vor sich hinsprach, mit welchen Aufgaben er die nächste Zeit beschäftigt sein würde. Es sah schlecht aus in der nächsten Woche. Viele Termine, die Zuger an entfernten Orten wahrzunehmen hatte. Er stöhnte, als er repetierte: Montag in Wien, Dienstag Zürich, Mittwoch und Donnerstag dann in Berlin und am Freitag hier den ganzen Tag in Besprechungen. Schielin hatte Verständnis, warf aber kurz und bestimmt ein, dass es wichtig wäre. Er fügte ein »Sehr wichtig« an.
Adrian Zuger war ein Profi. »Gut, ich verstehe schon. Sie wollen am Telefon nicht in die Details gehen. Ich kann Ihnen aber wirklich nur das Wochenende jetzt anbieten, also heute Abend oder Morgen. Wie lange wird es dauern?«
Schielin war zufrieden. »Nicht lange, Herr Zuger. Ich weiß Ihre Bereitschaft zu schätzen, mir Ihre Zeit am Wochenende zu opfern.« Man verabredete sich für den späten Nachmittag.
Er legte auf und machte sich auf den Weg auf die Insel.
Ein strahlend blauer Himmel und eine gleißende Sonne täuschten über die Kälte hinweg. Sobald man vor die Tür trat, packte einen der eisige Wind. Schielin verzichtete darauf, ein Auto zu nehmen. Er brauchte etwas Zeit um sich Gedanken zu machen, und das ging nicht, wenn man mit dem Auto im Stau vor der Seebrücke stand und ungeduldig wurde, obwohl dazu gar kein Grund bestand. Er zog das Stirnband fester, schlug den Kragen des Mantels hoch und ging in Richtung Aeschacher Knoten. Am Edeka-Parkplatz ging es quirlig zu und vor der rückwärtigen Einfahrt bildete sich ein kleiner Stau, weil alle Plätze belegt waren.
Er wollte in Richtung Bahndamm und passierte daher die Anheggerstraße, um über den Aeschacher Knoten zur Holdereggenstraße zu kommen. Kurz vor dem ersten Kreisverkehr wurde ihm das Herz ein wenig schwer, denn auf der linken Seite fehlte seit einiger Zeit ein Gehöft, von dem er gar nicht glauben konnte, es jemals vermissen zu müssen: der Gasthof Aeschacher Hof. Man hatte ihn abgerissen und in die gewaltige Lücke war ein modernes Gebäude gerückt – ein Ärztehaus. Das war die neue Mode – Ärztehäuser. Da würde man niemals gesellige Abende beim Schafkopfen verbringen können. Er erinnerte sich an unvergessliche Starkbierfeste, lustige Faschingsfeiern und fesche Bedienungen. Er war ganz alleine zu Fuß unterwegs, hielt den Blick fest auf den Gehsteig gerichtet und lachte vor sich hin, bei der Erinnerung an diese Feiern. Er querte den Aeschacher Knoten und passierte bald darauf die düstere Villa Holdereggen, deren Rotsandstein im Licht der tief stehenden Wintersonne selten hell aufschien. Die gewaltige Villa mit ihren Türmen und Erkern hätte gut ein Drehort für Harry-Potter-Filme sein können, dachte Schielin und warf noch einen langen Blick hinüber auf die Jungfernburg , wie sie gemeinhin in Lindau geheißen wurde, seit sie im letzten Jahrhundert für einige Zeit als Pensionat einer Höheren evangelischen Töchterschule genutzt wurde. Ob die ähnliche Faschingserlebnisse gehabt hatten wie er im Aeschacher Hof? Kaum vorstellbar.
Die geschlossene Schranke am Bahndamm sammelte Radfahrer und
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