Hafenweihnacht
gelandet und muss nun als Hellfühler herumtingeln – wie peinlich. Das ist einer, der durch die Welt läuft und seine Fühler ständig ausgestreckt hat, wo es was zum Mitnehmen gibt, wo man jemanden übers Ohr hauen kann. Und diesmal – diesmal ist es schiefgegangen. Das glaube ich.«
Das klang auch überzeugend, fand Schielin. Und schiefgegangen war in der Tat etwas, da drunten im Hafen.
In der Frühbesprechung gab es zum Haftbefehl keine Diskussion. Jeder hatte damit gerechnet. Gommi erhielt den Auftrag ins LKA zu fahren. Wenzel und Lydia wollten die Wohnung von Zindl durchsuchen und Schielin musste noch mit Adrian Zuger reden, dem ehemaligen Chef von Drohst.
Robert Funk hatte vor, sich ein wenig in Nonnenhorn umzuhören, denn was Schielin beim Weihnachtskonzert von Albin Derdes erfahren hatte, war nicht uninteressant.
Wenzel berichtete anschließend vom Einsatz der Taucher. Direkt am Steg hatten sie die berühmten Schuhe, einen Regenschirm, eine Taschenlampe und ein Kinderfahrrad entdeckt. Taschenlampe und Regenschirm konnten dem Zustand nach noch nicht lange im Wasser gelegen haben. Insgesamt blieb es ein mageres Ergebnis.
Gommi verabschiedete sich als Erster aus der Runde. Er musste die Fahrt nach München vorbereiten. Im Aufstehen meinte er: »Ich geh noch Gassi.«
»Ach Gommi, dann nimm doch den Hund mit!«, rief ihm Lydia nach.
Die anderen lachten unterdrückt.
Später erschien sie reumütig bei ihm im Büro und bat ihn, im LKA darauf zu dringen, die Ortungsdaten des Smartphones auszuwerten, falls dies möglich sei.
Gommi räsonierte verhalten vor sich hin, genoss die Anbiederung seiner liebsten Kollegin und rief kurz darauf im LKA an, um die Details seines Besuches abzusprechen. Es war ein längeres Telefonat, denn diese Fahrt bedurfte einer exakten Vorbereitung und Planung. Die Notebooks und das Handy lagen schon bereit und waren schnell verstaut. Die waren nicht das Problem.
Kimmel kam auch bei ihm im Büro vorbei und wieder hielt Erich Gommert das Telefon an die Brust: »LKA«.
Offensichtlich benötigte Gommi keine Hilfe. Etwas verwundert war Kimmel allerdings kurze Zeit später, als Gommi die Fahrzeugpapiere für den VW-Bus aus dem Büro holte. Er nahm tatsächlich den VW-Bus? Seltsam. Wo die Fahrt mit dem Passat oder BMW viel angenehmer wäre. Aber vielleicht hatte der ja auch Probleme mit der Hüfte oder dem Kreuz und dann war für ihn eine aufrechte Sitzposition angenehmer. Kimmel hatte keinen Bedarf an Diskussionen über Hüftleiden und schwieg. Bald darauf sah er den VW-Bus in die Ludwig-Kick-Straße einbiegen und in Richtung München verschwinden.
Gommi suchte im Autoradio nach SWR 1 und Hundle lag auf einer Decke im Kofferraum. Oben am Schönbühl angekommen, fuhr Gommi betont langsam und deutete nach links: »Da schau nur, Hundle. Wenn du nicht brav bist, dann kommst da rüber, in die Einzelzellen von der Hundepension, gell.« Er lachte, Hundle interessierte es nicht und noch vor Rothkreuz verließ er das erste Mal den direkten Weg nach München und fuhr in Richtung Oberreitnau. Eine Stunde später hatte er seine zweite und wichtigste Etappe erreicht – den Boschenhof bei Leutkirch. Er überlegte, wie er stapeln sollte, um alles heil in München abliefern zu können. Bevor er dann losfuhr, rief er noch mal in München an, kündigte seine ungefähre Ankunftszeit an und fragte nach, ob das mit den Notebooks denn auch so schnell wie möglich erledigt werden konnte. Eine schnelle Bearbeitung wurde ihm zugesichert.
*
Wenzel und Lydia Naber holten den Durchsuchungsbeschluss auf der Insel ab. Bald darauf klingelten sie an der Wohnung von Zindl, im Obergeschoss eines alten Bauernhauses direkt an der Straße nach Hergensweiler.
Angeblich hatte seine Frau kein Handy und selbst Google ergab keinen Treffer auf ihren Namen. Lydia Naber klapperte ungeduldig mit dem Wohnungsschlüssel, den sie Zindl abgenommen hatten, und drückte noch einmal auf den Klingelknopf. Wieder erklang das Dingdong, das eine Spur zu blechern klang. Ein Lkw donnerte direkt am Eingang vorbei und zog eine Autoschlange hinter sich her. Es war so laut, dass Lydia Naber sich die Ohren zuhielt. Wenzel, der etwas sagen wollte, wartete, bis die Kolonne hinter dem Haus verschwunden war.
»Beste Wohnlage«, meinte er und nickte Lydia Naber zu, die die Tür nun mit dem Schlüssel aufsperrte. Direkt neben dem Eingang öffnete sich ein Fenster der Erdgeschosswohnung und eine junge Frau steckte den Kopf heraus. Von drinnen war
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