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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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das Gezeter von Kindern zu hören und die Frau hatte leuchtend rote Haare, die von schwarzen Strähnen durchzogen waren. Auf ihrer Schulter hockte eine weiße Ratte.
    »Wir wollen zu Frau Zindl«, sagte Lydia Naber.
    »Die ist nicht da«, kam es unfreundlich und abweisend.
    »Och, das macht uns nichts aus«, entgegnete Lydia Naber und hielt ihren Dienstausweis hoch. Dann deutete sie auf die Ratte und fragte zuckersüß, als handele es sich um ein Baby: »Ja und wie heißt denn du, meine kleine Süße?«
    Der Kopf verschwand und das Fenster wurde mit einem lauten Schlag geschlossen.
    »Nette Nachbarschaft hat er da, der Herr Zindl.«
    Eine schmale umbaute Holztreppe mit in der Mitte ausgetretenen Stufen führte nach oben. Vorsichtig traten sie auf und testen die Festigkeit der jeweiligen Stufenbretter. Wenzel rief mehrmals laut nach Frau Zindl: »Hallo, Frau Zindl. Polizei! Sind Sie zu Hause!?«
    Niemand rührte sich.
    Die Wohnung war spärlich eingerichtet. Sehr lange schien das Ehepaar hier noch nicht zu wohnen. Im weiträumigen Flur, rund um den Treppenaufgang, stapelten sich Umzugskisten.
    »Und, was stellst du fest?«, fragte Lydia Naber, als sie vom Dachboden herunterkam.
    Wenzel zuckte mit den Schultern und sah sich um. Eigentlich hatte er gar nichts festgestellt. Was auch. Im Schlafzimmer war ein Schrank aufgebaut, ein Bett stand an der Wand, daneben zwei Nachtschränkchen. Im Wohnzimmer eine klassische Eckgarnitur, dazu ein Sessel und ein gläserner Beistelltisch. Es gab einen Fernseher, eine kleine Stereoanlage und die Küche war so groß, dass man dort essen konnte. Weder Kleidung noch Geschirr, Besteck oder sonst etwas lagen herum. Die Wohnung hinterließ den Eindruck unbewohnt zu sein. Er machte den Kühlschrank auf. Der war gefüllt. Eine Milchtüte war angebrochen, ebenso die Butter und einige andere Sachen. »Also hier wohnt wirklich jemand«, kommentierte er und ließ die Türe wieder zufallen.
    »Na? Also nun«, forderte Lydia Naber ihn nochmals auf, bevor sie ihre Entdeckung selbst darlegte. »Von dem ganzen esoterischen Firlefanz findest du hier nichts. Kein Fengshui-Brünnchen, keine heilenden, singenden oder tanzenden Steine, keine Guru-Portraits, Horoskopkalender, Mondphasenposter, von alledem nichts. Und beide haben doch damit zu tun. Da wäre doch zu erwarten … oder? Aber totale Fehlanzeige. Die handeln mit Zeugs, von dem sie selbst nichts halten.«
    Wenzel zuckte wieder mit der Schulter. »Kann sein.«
    Sie packten Kleidungsstücke und Schuhe von Zindl in die mitgebrachten Plastiksäcke und gingen bald wieder. Eine erste Kontrolle vor Ort förderte kein Paar Schuhe zutage, die ein Dreicksmuster auf den Sohlen hatten. Auch die Nachsuche in den Mülltonnen und in den Nebengebäuden verlief ohne Erfolg.

    Wenzel rief Robert Funk an. Der war gerade in Nonnenhorn angekommen und hatte das Auto vor der Garage des Drohstschen Hauses abgestellt. Natürlich hatte er nichts dagegen, wenn Wenzel und Lydia zu ihm kämen, um ihn bei der Befragung der Nachbarschaft zu unterstützen. Das war ihm sogar recht.

    Er steckte das Handy weg und zog den Mantelkragen nach oben. Ein kalter Windzug hatte ihn im Nacken erwischt und ihn frösteln lassen. Er überlegte gerade, wo er beginnen sollte, als ein Mann aus einer Seitenstraße kam. Er schob eine Schubkarre, auf der dürre Äste und Zweige aufgetürmt waren. Langsam bewegte er sich auf Funk zu. Er trug weite Kordhosen, feste hohe Schuhe und eine an mehreren Stellen aufgerissene Steppjacke. Unter der speckigen Bergmütze schimmerten graue Haare hervor, die sich vom der braunen und furchigen Gesichtshaut schillernd abhoben. Er war so Mitte sechzig. Im Mundwinkel hatte er einen Zigarillo stecken und alle paar Schritte blies er eine dunkelblaue Rauchwolke in die Luft. Wie eine alte, erfahrene Eisenbahn, dachte Robert Funk und setzte eine freundliche Miene auf. Vielleicht ließ sich der Mann ja in ein Gespräch verwickeln.

    Im Haus der Savatzkis saß sie am Tisch im Esszimmer und reinigte das Silberbesteck. Eine Tätigkeit, die sie stets selbst ausführte und nicht der Angestellten überließ, die zweimal die Woche kam, um bei der Hausarbeit zu helfen. Frau Savatzki begutachtete gerade die feinen Rillen der Augsburger Muschel an einem der Suppenlöffel, als sie das Auto wahrnahm, das unten vor dem Nachbarhaus gehalten hatte. Sie legte das Silber zur Seite, wischte die Hände grob an ihrer Schürze ab und bezog ihre Position hinter dem Vorhang im Wohnzimmer, von wo

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